Der meistgelesene Kulturblog der Hauptstadt – mit Kurzkritiken zu Theater, Tanz, Performance, Oper, Kunst, Kino und Literatur: bemerkenswert, sehenswert, hörenswert.
The ultimate culture blog — reviewing theatre, dance, performance, opera, art, film and literature: most widely read and much valued. Find out what‘s on.
Direkt und unmittelbar verkörpert Burak Hoffmann den Fremden, die Figur des Gestrandeten, des Ausgeworfenen, des Obdachlosen, mitten im Publikum des dichten Theaterraums im tik. Er bringt Regenwasser, Blut, Schweiß und Tränen so dich heran, dass keiner ihm entkommt. Man spürt einerseits, dass Burak Hoffmann sein Herzens(diplom)projekt, den Monolog von Bernard-Marie Koltés, schon über 40 mal gespielt hat (Theater Oberhausen Trailer) und gleichzeitig entsteht er frisch, als hätte der französische Autor ihm gerade den Text eingeflüstert. Mit einer Spielfreude, die ansteckt.
Noch immer hat uns dieser, 1976 in Avignon uraufgeführte, Text etwas zu sagen. Noch immer haben wir die Ränder der Gesellschaft, die Menschen aussondern, ausstoßen und nicht mehr einlassen. Mehr noch durchziehen heute Gräben oder Meinungskorridore manchmal Familien, Länder oder Kontinente, die Menschen isolieren oder ihnen die Teilhabe verweigern.
Direkt und unmittelbar verkörpert Burak Hoffmann den Fremden, die Figur des Gestrandeten, des Ausgeworfenen, des Obdachlosen, mitten im Publikum des dichten Theaterraums im tik. Er bringt Regenwasser, Blut, Schweiß und Tränen so dich heran, dass keiner ihm entkommt. Man spürt einerseits, dass Burak Hoffmann sein Herzens(diplom)projekt, den Monolog von Bernard-Marie Koltés, schon über 40 mal gespielt hat (Theater Oberhausen Trailer) und gleichzeitig entsteht er frisch, als hätte der französische Autor ihm gerade den Text eingeflüstert. Mit einer Spielfreude, die ansteckt.
Noch immer hat uns dieser, 1976 in Avignon uraufgeführte, Text etwas zu sagen. Noch immer haben wir die Ränder der Gesellschaft, die Menschen aussondern, ausstoßen und nicht mehr einlassen. Mehr noch durchziehen heute Gräben oder Meinungskorridore manchmal Familien, Länder oder Kontinente, die Menschen isolieren oder ihnen die Teilhabe verweigern.
Pina Bausch selbst hatte es vor fast einem halben Jahrhundert während der Stückentwicklung gesagt: In 30 Jahren machen wir Kontakthof noch einmal in der gleichen Besetzung. 46 Jahre später entsteht mit neun der Original 20 Tänzer, eine Version 2.0 von Pina Bausch legendärer Inszenierung. Federführung übernahm Meryl Tankard, erfolgreiche Choreografin und Filmemacherin, die heute wie damals auch tanzend auf der Bühne steht.
Als 2024 im Proberaum die Filmaufnahmen der 1978er Kontakthof Inszenierung von Rolf Borzik laufen, springt der Funke über: Die heute zwischen 70 und 80 Jahre alten Tänzer beginnen, mit dem Bild ihres jüngeren Selbst zu tanzen. Diese Freude findet sich auf der Bühne wieder, wenn das Ensemble synchron mit den Bildern aus den siebziger Jahren bewegt. Das gelebte Leben wird in jeder Bewegung sichtbar und spürbar. Offen gelegt wird, dass 11 Tänzer fehlen. Die Toten sind in den Archivaufnahmen lebendig, die Meryl Tankard fabelhaft über den Live-Moment schichtet.
Zu den zwei Ebenen, der Musik aus den Dreißigern und dem Tanzstunden-Setting (Original Bühnenbild: Rolf Borzik) aus den siebziger Jahren, kommt in der Version 2.0 eine dritte Ebene, mit der Frage, ob die tradierten Rollenbilder noch heute eine Rolle spielen? Bis ein Jahr vor der Uraufführung von Kontakthof brauchten Frauen in Deutschland für eine Erwerbstätigkeit die Zustimmung ihres Ehemannes. Die vierte Ebene eröffnen die Darsteller direkt, als sie sich am Ende der ersten Halbzeit mit Namen, Geburtsort, Alter und dem vorstellen, was sie jeden Tag tun. Lutz Förster küsst jeden Tag seinen Mann (dieser Satz wäre 1978 beim damals geltenden § 175 StGBvermutlich nicht auf der Bühne gesprochen worden). Es hat sich also zum Glück doch einiges verändert in den letzten 46 Jahren.
Der Abend könnte auch eine Werbung dafür sein, sich jeden Tag tanzend zu bewegen, damit wir alle mit 80 noch den Hüftschwung drauf haben, den Arthur Rosenfeld schon mit zarten 34 nicht so hinbekam, wie seine Kollegen.
»Der Kontakthof ist ein Ort, an dem sich Menschen treffen, die auf der Suche nach Kontakt sind. Um sich zu zeigen, um sich zu verleugnen. Mit Ängsten. Sehnsucht. Enttäuschungen. Verzweiflung.« — Pina Bausch
Pina Bausch selbst hatte es vor fast einem halben Jahrhundert während der Stückentwicklung gesagt: In 30 Jahren machen wir Kontakthof noch einmal in der gleichen Besetzung. 46 Jahre später entsteht mit neun der Original 20 Tänzer, eine Version 2.0 von Pina Bausch legendärer Inszenierung. Federführung übernahm Meryl Tankard, erfolgreiche Choreografin und Filmemacherin, die heute wie damals auch tanzend auf der Bühne steht.
Als 2024 im Proberaum die Filmaufnahmen der 1978er Kontakthof Inszenierung von Rolf Borzik laufen, springt der Funke über: Die heute zwischen 70 und 80 Jahre alten Tänzer beginnen, mit dem Bild ihres jüngeren Selbst zu tanzen. Diese Freude findet sich auf der Bühne wieder, wenn das Ensemble synchron mit den Bildern aus den siebziger Jahren bewegt. Das gelebte Leben wird in jeder Bewegung sichtbar und spürbar. Offen gelegt wird, dass 11 Tänzer fehlen. Die Toten sind in den Archivaufnahmen lebendig, die Meryl Tankard fabelhaft über den Live-Moment schichtet.
Zu den zwei Ebenen, der Musik aus den Dreißigern und dem Tanzstunden-Setting (Original Bühnenbild: Rolf Borzik) aus den siebziger Jahren, kommt in der Version 2.0 eine dritte Ebene, mit der Frage, ob die tradierten Rollenbilder noch heute eine Rolle spielen? Bis ein Jahr vor der Uraufführung von Kontakthof brauchten Frauen in Deutschland für eine Erwerbstätigkeit die Zustimmung ihres Ehemannes. Die vierte Ebene eröffnen die Darsteller direkt, als sie sich am Ende der ersten Halbzeit mit Namen, Geburtsort, Alter und dem vorstellen, was sie jeden Tag tun. Lutz Förster küsst jeden Tag seinen Mann (dieser Satz wäre 1978 beim damals geltenden § 175 StGBvermutlich nicht auf der Bühne gesprochen worden). Es hat sich also zum Glück doch einiges verändert in den letzten 46 Jahren.
Der Abend könnte auch eine Werbung dafür sein, sich jeden Tag tanzend zu bewegen, damit wir alle mit 80 noch den Hüftschwung drauf haben, den Arthur Rosenfeld schon mit zarten 34 nicht so hinbekam, wie seine Kollegen.
»Der Kontakthof ist ein Ort, an dem sich Menschen treffen, die auf der Suche nach Kontakt sind. Um sich zu zeigen, um sich zu verleugnen. Mit Ängsten. Sehnsucht. Enttäuschungen. Verzweiflung.« — Pina Bausch
Es ist kein Tanz. Sharon Eyal hat es geschafft, die Tänzer des Staatsballetts Berlin zu Bewegung an sich werden zu lassen: rein, pur und radikal. Noch nie hat man dieses »corps de ballet« so präsent gesehen. Man könnte meinen, die 20 Tänzer verkörperte griechische Gottheiten. Aber nein, sie sind: Pythia, Gaia, Artemis, Asklepios, Apollo. Sie sind eins mit den Göttern. Ein lebendig, atmender Organismus. Der Herzschlag, komponiert von Ori Lichtik, rhythmisiert und hypnotisiert die 20 »Athleten« auf der Bühne und jeden einzelnen Zuschauer bis in die letzte Reihe des letzten Rangs. Die Körper auf der Bühne scheinen griechischen Vasen entsprungen, die in diesem Ritual Zeit, Raum, Leben und Tod überwunden haben. Am Ende von »2 Chapter Love« sind alle am Limit, haben Andacht, Demut und Erschöpfung erreicht. Ein gigantisches Gesamtkunsterlebnis. Stehende Ovationen.
»Stars like Moths« von Sol León macht den Auftakt dieses großen Tanzabends. Sie fordert unsere Vorstellungen von Identität heraus. Ist es wirklich so schwarz, weiß, männlich, weiblich, gesteuert, vorbestimmt – in Stöckelschuhen und Tütü? Und sind wir alle nur ein zeitliches Flackern, traumgleich suchend?
So unterschiedlich die beiden Stücke zweier weiblicher Choreographinnen, so kongenial ergänzen sie sich. Der Abend ist eine Hymne an den Tanz.
Es ist kein Tanz. Sharon Eyal hat es geschafft, die Tänzer des Staatsballetts Berlin zu Bewegung an sich werden zu lassen: rein, pur und radikal. Noch nie hat man dieses »corps de ballet« so präsent gesehen. Man könnte meinen, die 20 Tänzer verkörperte griechische Gottheiten. Aber nein, sie sind: Pythia, Gaia, Artemis, Asklepios, Apollo. Sie sind eins mit den Göttern. Ein lebendig, atmender Organismus. Der Herzschlag, komponiert von Ori Lichtik, rhythmisiert und hypnotisiert die 20 »Athleten« auf der Bühne und jeden einzelnen Zuschauer bis in die letzte Reihe des letzten Rangs. Die Körper auf der Bühne scheinen griechischen Vasen entsprungen, die in diesem Ritual Zeit, Raum, Leben und Tod überwunden haben. Am Ende von »2 Chapter Love« sind alle am Limit, haben Andacht, Demut und Erschöpfung erreicht. Ein gigantisches Gesamtkunsterlebnis. Stehende Ovationen.
»Stars like Moths« von Sol León macht den Auftakt dieses großen Tanzabends. Sie fordert unsere Vorstellungen von Identität heraus. Ist es wirklich so schwarz, weiß, männlich, weiblich, gesteuert, vorbestimmt – in Stöckelschuhen und Tütü? Und sind wir alle nur ein zeitliches Flackern, traumgleich suchend?
So unterschiedlich die beiden Stücke zweier weiblicher Choreographinnen, so kongenial ergänzen sie sich. Der Abend ist eine Hymne an den Tanz.
Als Leo an ihre Wut kommt, gibt es Szenenapplaus. Sie saust mit dem Fahrrad durch den Zuschauerraum und umkreist das Parkett. Alle Fahrradfahrer kennen die Probleme, die Leo (Mira Fajfer) hier so authentisch raus haut. Am Ende ihres Monologs kritisiert sie neben den Zweite-Reihe-Parkern das Mansplaining
Aber bekommen wir hier nicht ein zweistündiges »Womensplaining« vorgeführt? Vielleicht ist das der Konter nach Jahrhunderten der männlichen Welterklärer. Zu Beginn geht es um die Aneignung von Wut als vermeintlich männlicher Zuschreibung, wenn Konn (Dela Dabulamanzi) rhythmisch zuschlägt. Es scheint, der Female* Flight Club will Tabu-Themen zur Sprache bringen. Sind die am Ende des Abends enttabuisiert?! Geht das? Nicht wirklich. Die Fragen, die sich Leo so sehnlichst wünscht – dass Mitmenschen mitfühlend nachfragen würden und nicht schweigen – sehen wir nicht auf der Bühne. Es wird vieles berührt und nicht ausgeführt. Wir sehen eher Schattenboxen als Auseinandersetzung. Am Ende des Abends besteht Gesprächsbedarf.
Die Figur von Alex (Pan Selle), einer Art Ringrichter, liefert die Kommentarebene: »Ihr habt ja beide recht.« Aber geht es ums Rechthaben? Rumi sagte einmal: »Out beyond ideas of wrongdoing and rightdoing, there is a field. I'll meet you there.«
Pina Kühr (Regie und Autorin) möchte mit ihrem Erstlingswerk Räume öffnen. Ob das gelingt, möge jeder selbst in Augenschein nehmen. Bei der Premiere gibt es tosenden Applaus für die drei fabelhaften Spielerinnen.
Berlin, Heimathafen Neukölln Sa 22.3.2025 um 19:30 h, anschließend Publikumsgespräch Fr 28.3.2025 um 19:30 h Sa 29.3.2025 um 19:30 h, anschließend Publikumsgespräch Fr 11.4.2025 um 19:30 h Sa 12.4.2025 um 19:30 h, anschließend Publikumsgespräch Do 24.4.2025 um 19:30 h Fr 25.4.2025 um 19:30 h
Als Leo an ihre Wut kommt, gibt es Szenenapplaus. Sie saust mit dem Fahrrad durch den Zuschauerraum und umkreist das Parkett. Alle Fahrradfahrer kennen die Probleme, die Leo (Mira Fajfer) hier so authentisch raus haut. Am Ende ihres Monologs kritisiert sie neben den Zweite-Reihe-Parkern das Mansplaining
Aber bekommen wir hier nicht ein zweistündiges »Womensplaining« vorgeführt? Vielleicht ist das der Konter nach Jahrhunderten der männlichen Welterklärer. Zu Beginn geht es um die Aneignung von Wut als vermeintlich männlicher Zuschreibung, wenn Konn (Dela Dabulamanzi) rhythmisch zuschlägt. Es scheint, der Female* Flight Club will Tabu-Themen zur Sprache bringen. Sind die am Ende des Abends enttabuisiert?! Geht das? Nicht wirklich. Die Fragen, die sich Leo so sehnlichst wünscht – dass Mitmenschen mitfühlend nachfragen würden und nicht schweigen – sehen wir nicht auf der Bühne. Es wird vieles berührt und nicht ausgeführt. Wir sehen eher Schattenboxen als Auseinandersetzung. Am Ende des Abends besteht Gesprächsbedarf.
Die Figur von Alex (Pan Selle), einer Art Ringrichter, liefert die Kommentarebene: »Ihr habt ja beide recht.« Aber geht es ums Rechthaben? Rumi sagte einmal: »Out beyond ideas of wrongdoing and rightdoing, there is a field. I'll meet you there.«
Pina Kühr (Regie und Autorin) möchte mit ihrem Erstlingswerk Räume öffnen. Ob das gelingt, möge jeder selbst in Augenschein nehmen. Bei der Premiere gibt es tosenden Applaus für die drei fabelhaften Spielerinnen.
Berlin, Heimathafen Neukölln Sa 22.3.2025 um 19:30 h, anschließend Publikumsgespräch Fr 28.3.2025 um 19:30 h Sa 29.3.2025 um 19:30 h, anschließend Publikumsgespräch Fr 11.4.2025 um 19:30 h Sa 12.4.2025 um 19:30 h, anschließend Publikumsgespräch Do 24.4.2025 um 19:30 h Fr 25.4.2025 um 19:30 h
Zwei Frauen, Felicia Binger und Christine Prayon, die wissen, wovon sie sprechen. Sie stehen auf der Bühne für all die, die nicht die Kraft haben, da zu sein. Beide leiden bis heute unter Nebenwirkungen der mRNA Behandlung. Sie wenden sich als Menschen an uns und verkörpern gleichzeitig die Rollen der Lektoren Gabi und der Kabarettistin Christine.
Die beiden sind so auf den Punkt, dass man aus dem Lachen kaum mehr herauskommt. Aber das eigentliche Wunder passiert in Teil zwei, nach der Lesung und dem Lauterbach. Die Schauspielerinnen legen ihre Rollen ab, steigen herunter von der Bühne und öffnen den Raum für alle. Die Zuschauer sind keine Zuschauer mehr und die Akteure keine Akteure mehr. Alles sprechen miteinander und hören einander zu. Lauschen den Zwischentönen, jenseits von richtig und falsch. Hier wird auch dem Letzten klar, dass wir alle eine Menschheitsfamilie sind, ob gespritzt oder ungespritzt – und dass die Motive für oder gegen das eine oder das andere so vielfältig sind wie unsere Nasen.
Zwei Frauen, Felicia Binger und Christine Prayon, die wissen, wovon sie sprechen. Sie stehen auf der Bühne für all die, die nicht die Kraft haben, da zu sein. Beide leiden bis heute unter Nebenwirkungen der mRNA Behandlung. Sie wenden sich als Menschen an uns und verkörpern gleichzeitig die Rollen der Lektoren Gabi und der Kabarettistin Christine.
Die beiden sind so auf den Punkt, dass man aus dem Lachen kaum mehr herauskommt. Aber das eigentliche Wunder passiert in Teil zwei, nach der Lesung und dem Lauterbach. Die Schauspielerinnen legen ihre Rollen ab, steigen herunter von der Bühne und öffnen den Raum für alle. Die Zuschauer sind keine Zuschauer mehr und die Akteure keine Akteure mehr. Alles sprechen miteinander und hören einander zu. Lauschen den Zwischentönen, jenseits von richtig und falsch. Hier wird auch dem Letzten klar, dass wir alle eine Menschheitsfamilie sind, ob gespritzt oder ungespritzt – und dass die Motive für oder gegen das eine oder das andere so vielfältig sind wie unsere Nasen.
»Kunst kommt von können,« … sagte Karl Valentin, und wer kann, der kann. Berlin kann nicht und muss sparen. Aktuell macht die Kultur einen Anteil von 2,1 % am Gesamthaushalt des Landes Berlin aus. Und davon sollen 2025 noch mal zwischen 110 bis 150 Millionen Euro eingespart werden. Was bedeutet das?
Die geplanten Kürzungen treffen alle: die großen Häuser, die kleinen Spielstätten, die freie Szene, die Literatur, die Bildende Kunst, den Tanz, die kulturelle Bildung, die Clubs und alle, die in Berlin im Kulturbereich tätig sind (das sind 8,2% der Erwerbstätigen).
Die Kulturschaffenden Berlins stehen solidarisch zusammen, um Kürzungen für den Kultursektor entschieden abzuwenden. Unterstützt wird die Petition des Deuten Bühnenvereins von zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern, darunter Daniel Barenboim, Simon Rattle, Kirill Petrenko, Frank Castorf, Nina Hoss, Katharina Schüttler, Fritzi Haberlandt, Lars Eidinger, Ulrich Matthes, Joachim Meyerhoff, Barrie Kosky, Michael Thalheimer, Sasha Waltz, Angela Winkler und viele andere
Nicht nur der Berliner Senat hat Kürzungen angekündigt, auch der Bundeskulturfonds im Bundeshaushalt 2025 eine Reduktion um 50 Prozent. Das könnte die kulturelle Vielfalt und Bildung in Deutschland erheblich beeinträchtigen.
»Kunst kommt von können,« … sagte Karl Valentin, und wer kann, der kann. Berlin kann nicht und muss sparen. Aktuell macht die Kultur einen Anteil von 2,1 % am Gesamthaushalt des Landes Berlin aus. Und davon sollen 2025 noch mal zwischen 110 bis 150 Millionen Euro eingespart werden. Was bedeutet das?
Die geplanten Kürzungen treffen alle: die großen Häuser, die kleinen Spielstätten, die freie Szene, die Literatur, die Bildende Kunst, den Tanz, die kulturelle Bildung, die Clubs und alle, die in Berlin im Kulturbereich tätig sind (das sind 8,2% der Erwerbstätigen).
Die Kulturschaffenden Berlins stehen solidarisch zusammen, um Kürzungen für den Kultursektor entschieden abzuwenden. Unterstützt wird die Petition des Deuten Bühnenvereins von zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern, darunter Daniel Barenboim, Simon Rattle, Kirill Petrenko, Frank Castorf, Nina Hoss, Katharina Schüttler, Fritzi Haberlandt, Lars Eidinger, Ulrich Matthes, Joachim Meyerhoff, Barrie Kosky, Michael Thalheimer, Sasha Waltz, Angela Winkler und viele andere
Nicht nur der Berliner Senat hat Kürzungen angekündigt, auch der Bundeskulturfonds im Bundeshaushalt 2025 eine Reduktion um 50 Prozent. Das könnte die kulturelle Vielfalt und Bildung in Deutschland erheblich beeinträchtigen.
Der Choreograf Trajal Harrell ist der letzte, der sich vorstellt. Die anderen, lassen uns wissen, wie oft sie in Disney Land waren (65 mal), oder welcher Nationalität sie angehören (I am French. Nobody is perfect.) Offene Bühne, volles Saallicht.
Und dann beginnt das Spiel: »Wir weben, wir weben!« schrieb Heine. Die Zeile könnte eine Überschrift sein für diesen Tanzabend. Jeder einzelne Spieler spinnt seinen individuellen Faden, bringt seine Einzigartigkeit in diesen Kosmos aus Bewegung; so verbindet sich das ganze Ensemble zu einem organisch atmenden Körper. Jeder der 14 Tänzer des Schauspielhaus Zürich Dance Ensembles webt seinen eigenen Ausdruck in diesen großen Teppich, der sich über anderthalb Stunden, Faden um Faden, verdichtet. Auch der Klangteppich verwebt zu einer filmischen Grundierung aus unterschiedlichsten Genres, wie Pink Floyd, Vladimir Cosma oder Erik Satie enthebt uns der Zeit, Leben und Tod.
Kongenial sind die Kostüme bei jedem neuen Auftritt neu erdacht, Versatzstücke tauchen immer wieder auf, zu neuen Kombinationen verschnitten, kulturelles Erbe geöffnet, vorgetragen wie Haut Couture. Wir entdecken Preisschilder, Kleiderbügel-Fragmente, Hemden als Kleider, Röcke als Oberteile getragen. Repetition und Variation finden wir auch in den Bewegungsmustern: ägyptische Armhaltungen, griechische Kreistänze, höfische Gruppentänze. Die immer gleichen Abläufe hypnotisieren und entwickeln einen mythologischen Sog.
Über den Abend scheinen sich auch die Bewegungen mehr und mehr zu befreien. Wir erleben ein Fest aus Körperformen, Klangfarben und kulturellem Ausdruck. Das Freie braucht die Offenheit und Imperfektion. Großes Tanztheater, das sich von Vorstellung zu Vorstellung weiter verdichten wird und immer neue Transformationprozesse anstoßen wird. Dringend empfohlen, nicht nur für Tanzfans.
Schauspielhaus Zürich, Pfauen Mo 03.04. 20:00 Sa 08.04. 20:00 Sa 15.04. 20:00 So 16.04. 16:00 Do 27.04. 20:00 Fr 28.04. 20:00 So 30.04. 17:00 Mo 01.05. 18:00 So 07.05. 16:00 Mo 22.05. 20:00
Der Choreograf Trajal Harrell ist der letzte, der sich vorstellt. Die anderen, lassen uns wissen, wie oft sie in Disney Land waren (65 mal), oder welcher Nationalität sie angehören (I am French. Nobody is perfect.) Offene Bühne, volles Saallicht.
Und dann beginnt das Spiel: »Wir weben, wir weben!« schrieb Heine. Die Zeile könnte eine Überschrift sein für diesen Tanzabend. Jeder einzelne Spieler spinnt seinen individuellen Faden, bringt seine Einzigartigkeit in diesen Kosmos aus Bewegung; so verbindet sich das ganze Ensemble zu einem organisch atmenden Körper. Jeder der 14 Tänzer des Schauspielhaus Zürich Dance Ensembles webt seinen eigenen Ausdruck in diesen großen Teppich, der sich über anderthalb Stunden, Faden um Faden, verdichtet. Auch der Klangteppich verwebt zu einer filmischen Grundierung aus unterschiedlichsten Genres, wie Pink Floyd, Vladimir Cosma oder Erik Satie enthebt uns der Zeit, Leben und Tod.
Kongenial sind die Kostüme bei jedem neuen Auftritt neu erdacht, Versatzstücke tauchen immer wieder auf, zu neuen Kombinationen verschnitten, kulturelles Erbe geöffnet, vorgetragen wie Haut Couture. Wir entdecken Preisschilder, Kleiderbügel-Fragmente, Hemden als Kleider, Röcke als Oberteile getragen. Repetition und Variation finden wir auch in den Bewegungsmustern: ägyptische Armhaltungen, griechische Kreistänze, höfische Gruppentänze. Die immer gleichen Abläufe hypnotisieren und entwickeln einen mythologischen Sog.
Über den Abend scheinen sich auch die Bewegungen mehr und mehr zu befreien. Wir erleben ein Fest aus Körperformen, Klangfarben und kulturellem Ausdruck. Das Freie braucht die Offenheit und Imperfektion. Großes Tanztheater, das sich von Vorstellung zu Vorstellung weiter verdichten wird und immer neue Transformationprozesse anstoßen wird. Dringend empfohlen, nicht nur für Tanzfans.
Schauspielhaus Zürich, Pfauen Mo 03.04. 20:00 Sa 08.04. 20:00 Sa 15.04. 20:00 So 16.04. 16:00 Do 27.04. 20:00 Fr 28.04. 20:00 So 30.04. 17:00 Mo 01.05. 18:00 So 07.05. 16:00 Mo 22.05. 20:00
»Was ist Ihr Theatermoment?« fragt Sebastian Bark ins Publikum. »Schließen Sie die Augen und besuchen Sie den Augenblick, der Sie bewegt hat.« Nach diesen magischen Momenten suchen sie zwei Stunden lang: She She Pop und Gäste fächern in ihrer neuesten Produktion einen Kanon aus Theatererlebnissen auf, von Jérôme Bel bis Christoph Schlingensief.
Sieben Performerinnen und Performer stecken in Overalls mit lebensgroßen Kunstikonen. Sie »verkörpern« Valie Export, Marina Abramović, Yoko Ono, Joseph Beuys, Yves Klein. Auch das Kostümbild versteht sich als Kanon.
Es geht in »Kanon« aber nicht um die Alternativen zum bildungsbürgerlichen Sprechtheater, vielmehr entwickelt der Abend immer dann seine Kraft, wenn die Spieler teilen, was sie wirklich in Bewegung gebracht hat, wenn sie sich trauen die Berührungspunkte offen zu legen. Dann wird aus dem Zeigen ein Teilen, und im Besten Sinne des Postdramatischen entsteht in diesem Moment eine Gemeinschaft im Theaterraum: aus Akteuren und Publikum im Hier und Jetzt.
Fabelhaft gelingt das Brigitte Cuvelier, die »Mörder Woyzeck« von Johann Kresnik aus dem Jahr 1987 nacherzählt, während die Anderen auf der Bühne versuchen die Szene nachzustellen. Warum dieser Moment für sie lebensverändernd war, lässt sie uns miterleben und mitfühlen.
Eine Hymne an die flüchtige Kunstform des Performativen. The Show Must Go On.
Hebbel am Ufer, Berlin, HAU 2
Sa 23. November 2019 um 21 h
So 24. November 2019 um 21 h
Mo 25. November 2019 um 20 h
Di 26. November 2019 um 20 h
Do 12. März 2020 um 19 h
Fr 13. März 2020 um 19 h
Sa 14. März 2020 um 19 h
Mousonturm, Frankfurt am Main
Do 23. Januar 2020 jeweils 20 h
Fr 24. Januar 2020 jeweils 20 h
Sa 25. Januar 2020 jeweils 20 h
»Was ist Ihr Theatermoment?« fragt Sebastian Bark ins Publikum. »Schließen Sie die Augen und besuchen Sie den Augenblick, der Sie bewegt hat.« Nach diesen magischen Momenten suchen sie zwei Stunden lang: She She Pop und Gäste fächern in ihrer neuesten Produktion einen Kanon aus Theatererlebnissen auf, von Jérôme Bel bis Christoph Schlingensief.
Sieben Performerinnen und Performer stecken in Overalls mit lebensgroßen Kunstikonen. Sie »verkörpern« Valie Export, Marina Abramović, Yoko Ono, Joseph Beuys, Yves Klein. Auch das Kostümbild versteht sich als Kanon.
Es geht in »Kanon« aber nicht um die Alternativen zum bildungsbürgerlichen Sprechtheater, vielmehr entwickelt der Abend immer dann seine Kraft, wenn die Spieler teilen, was sie wirklich in Bewegung gebracht hat, wenn sie sich trauen die Berührungspunkte offen zu legen. Dann wird aus dem Zeigen ein Teilen, und im Besten Sinne des Postdramatischen entsteht in diesem Moment eine Gemeinschaft im Theaterraum: aus Akteuren und Publikum im Hier und Jetzt.
Fabelhaft gelingt das Brigitte Cuvelier, die »Mörder Woyzeck« von Johann Kresnik aus dem Jahr 1987 nacherzählt, während die Anderen auf der Bühne versuchen die Szene nachzustellen. Warum dieser Moment für sie lebensverändernd war, lässt sie uns miterleben und mitfühlen.
Eine Hymne an die flüchtige Kunstform des Performativen. The Show Must Go On.
Hebbel am Ufer, Berlin, HAU 2
Sa 23. November 2019 um 21 h
So 24. November 2019 um 21 h
Mo 25. November 2019 um 20 h
Di 26. November 2019 um 20 h
Do 12. März 2020 um 19 h
Fr 13. März 2020 um 19 h
Sa 14. März 2020 um 19 h
Mousonturm, Frankfurt am Main
Do 23. Januar 2020 jeweils 20 h
Fr 24. Januar 2020 jeweils 20 h
Sa 25. Januar 2020 jeweils 20 h
It’s showtime: Das Stück beginnt mit einer der »36 Fragen« aus Arthur Arons soziologischem Experiment von 1997. Es hätte auch gut Frage Nr. 24 sein können: »Was denkst du über die Beziehung zu deiner Mutter?» Um eine Mutter-Tochter Beziehung geht es in »Kluge Gefühle«, um Verletzlichkeit, Einsamkeit, Gewalt, Tod und Tabu. Es ist die Geschichte der Autorin Maryam Zaree. Im Stück heißt sie Tara, gespielt von Eva Bay. Die eigentlich zentrale Figur aber ist die Mutter Shahla: Anke Engelke lässt sie bei ihrer Aussage vor dem Tribunal in Den Haag ganz pur und gerade vortragen – ohne Pathos, dafür mit viel Menschlichkeit. Es gelingt Anke Engelke die wenigen Sätze über die drastischen Ereignisse in Evin, dem meinst gefürchtetsten Foltergefängnis des Iran, fühlbar zu machen. Sie stellt sich furchtlos zur Verfügung und lässt das wirken, was sie sagt. Das schafft einen Raum für geteilte Erfahrung.
»Kluge Gefühle« ist Maryam Zaree erstes Theaterstück, Nils Bormanns erste Regiearbeit und Anke Engelkes erste dramatische Theaterrolle. Anders als die Uraufführung beim Heidelberger Stückemarkt im April diesen Jahres verortet das Regie/Dramaturgen-Team Bormann/Zaree die Inszenierung zwischen einer Sitcom a la »Linie 1« und einem nüchternen Doku-Drama. Trotz manch stereotyper Phrasen und inszenatorischer Mutlücken ein klug gebauter Erstling und eine Anke Engelke, die man gesehen haben muss.
It’s showtime: Das Stück beginnt mit einer der »36 Fragen« aus Arthur Arons soziologischem Experiment von 1997. Es hätte auch gut Frage Nr. 24 sein können: »Was denkst du über die Beziehung zu deiner Mutter?» Um eine Mutter-Tochter Beziehung geht es in »Kluge Gefühle«, um Verletzlichkeit, Einsamkeit, Gewalt, Tod und Tabu. Es ist die Geschichte der Autorin Maryam Zaree. Im Stück heißt sie Tara, gespielt von Eva Bay. Die eigentlich zentrale Figur aber ist die Mutter Shahla: Anke Engelke lässt sie bei ihrer Aussage vor dem Tribunal in Den Haag ganz pur und gerade vortragen – ohne Pathos, dafür mit viel Menschlichkeit. Es gelingt Anke Engelke die wenigen Sätze über die drastischen Ereignisse in Evin, dem meinst gefürchtetsten Foltergefängnis des Iran, fühlbar zu machen. Sie stellt sich furchtlos zur Verfügung und lässt das wirken, was sie sagt. Das schafft einen Raum für geteilte Erfahrung.
»Kluge Gefühle« ist Maryam Zaree erstes Theaterstück, Nils Bormanns erste Regiearbeit und Anke Engelkes erste dramatische Theaterrolle. Anders als die Uraufführung beim Heidelberger Stückemarkt im April diesen Jahres verortet das Regie/Dramaturgen-Team Bormann/Zaree die Inszenierung zwischen einer Sitcom a la »Linie 1« und einem nüchternen Doku-Drama. Trotz manch stereotyper Phrasen und inszenatorischer Mutlücken ein klug gebauter Erstling und eine Anke Engelke, die man gesehen haben muss.
Als sein Vater stirbt, reist Didier Eribon zum ersten Mal nach Jahrzehnten der Abwesenheit in seine Heimatstadt Reims. Eribon hat ein Buch darüber geschrieben, viele Interviews gegeben. Thomas Ostermeier hat zusammen mit Sébastien Dupouey einen Dokumentarfilm dazu gedreht, der im Stück ein zentrales Element bildet. Der Autor Eribon erzählt seine persönliche Geschichte und fragt, warum ein Großteil des kommunistisch wählenden Milieus, dem er entstammt, inzwischen zum Front National übergelaufen ist. Es gibt Regionen, in denen der FN sechzig, siebzig Prozent der Stimmen bekommt. Die Arbeiter fühlen sich verraten und verkauft. Sie kommen nicht vor. Niemand sieht sie. Was findet man also an diesem Theaterabend, was die Medien nicht schon ausführlich verhandelt hätten? Ostermeier lässt in weiten Teilen Nina Hoss das Voice-over zu den Filmbildern im Hintergrund live einsprechen. Das Tonstudio-Bühnenbild macht die Anordnung aber noch nicht zum Theaterstück und so gibt es in der zweiten Hälfte Dialoge zwischen der Figur des Dokumentarfilmregisseurs, dem Tontechniker und Nina Hoss, die Nina Hoss spielt. Deindustrialisierung, Neoliberalismus, schwuler Autor, das sind bekannte Zutaten und keine »Breaking News«. Einziger irritierender Moment, als Nina Hoss weiter mit vierter Wand spielt und zeitgleich die beiden anderen Darsteller mit dem Publikum interagieren: Es gibt Migranten-Rap zum Mitklatschen. Alles Theater?
Als der Eribon Text fertig gesprochen ist bringt Nina Hoss ihren Vater ins Spiel. Und das ist das hoffnungsfrohe Surplus. Sie spielt, dass sie sich dazu überreden lässt die Geschichte von Willi Hoss zu erzählen (der Kommunist, Grünenmitgründer und Umweltaktivist ist ihr Vater im echten Leben). Man glaubt ihr das Zögern nicht. Vielleicht, weil die Figur Nina Hoss in diesen letzten Minuten des Stückes sich mit Willis Tochter konfrontiert sieht. Ein atmosphärisch gut gebauter Abend – und doch wenig überraschend.
Schaubühne Berlin Di 8. Mai 2018 um 20 h Mi 9. Mai 2018 um 20 h Do 10. Mai 2018 um 20 h Fr 11. Mai .2018 um 20 h Sa 12. Mai .2018 um 16 h Di 15. Mai 2018 um 20 h, englisch Mi 16. Mai 2018 um 20 h, englisch
Als sein Vater stirbt, reist Didier Eribon zum ersten Mal nach Jahrzehnten der Abwesenheit in seine Heimatstadt Reims. Eribon hat ein Buch darüber geschrieben, viele Interviews gegeben. Thomas Ostermeier hat zusammen mit Sébastien Dupouey einen Dokumentarfilm dazu gedreht, der im Stück ein zentrales Element bildet. Der Autor Eribon erzählt seine persönliche Geschichte und fragt, warum ein Großteil des kommunistisch wählenden Milieus, dem er entstammt, inzwischen zum Front National übergelaufen ist. Es gibt Regionen, in denen der FN sechzig, siebzig Prozent der Stimmen bekommt. Die Arbeiter fühlen sich verraten und verkauft. Sie kommen nicht vor. Niemand sieht sie. Was findet man also an diesem Theaterabend, was die Medien nicht schon ausführlich verhandelt hätten? Ostermeier lässt in weiten Teilen Nina Hoss das Voice-over zu den Filmbildern im Hintergrund live einsprechen. Das Tonstudio-Bühnenbild macht die Anordnung aber noch nicht zum Theaterstück und so gibt es in der zweiten Hälfte Dialoge zwischen der Figur des Dokumentarfilmregisseurs, dem Tontechniker und Nina Hoss, die Nina Hoss spielt. Deindustrialisierung, Neoliberalismus, schwuler Autor, das sind bekannte Zutaten und keine »Breaking News«. Einziger irritierender Moment, als Nina Hoss weiter mit vierter Wand spielt und zeitgleich die beiden anderen Darsteller mit dem Publikum interagieren: Es gibt Migranten-Rap zum Mitklatschen. Alles Theater?
Als der Eribon Text fertig gesprochen ist bringt Nina Hoss ihren Vater ins Spiel. Und das ist das hoffnungsfrohe Surplus. Sie spielt, dass sie sich dazu überreden lässt die Geschichte von Willi Hoss zu erzählen (der Kommunist, Grünenmitgründer und Umweltaktivist ist ihr Vater im echten Leben). Man glaubt ihr das Zögern nicht. Vielleicht, weil die Figur Nina Hoss in diesen letzten Minuten des Stückes sich mit Willis Tochter konfrontiert sieht. Ein atmosphärisch gut gebauter Abend – und doch wenig überraschend.
Schaubühne Berlin Di 8. Mai 2018 um 20 h Mi 9. Mai 2018 um 20 h Do 10. Mai 2018 um 20 h Fr 11. Mai .2018 um 20 h Sa 12. Mai .2018 um 16 h Di 15. Mai 2018 um 20 h, englisch Mi 16. Mai 2018 um 20 h, englisch
Ein Rausch, ein Fest, ein Faust. Faust nach Castorf. Sieben Stunden. Text-Konglomerat aus Goethe, Zola, Fanon, Sartre, Celan. Und schnell und unbegreiflich schnelle wechseln magische Momente mit tiefem schauervollen Verwandlungswust. »Kunst braucht Wahnsinn«, sagst Castorf und bietet alles auf, was er und seine Spieler und Künstler in den letzten 25 Jahre trainiert haben. Martin Wuttkes Faust lässt einen staunen – mit wie viel Selbstverständlichkeit er das alles sein kann: alt, jung, epileptisch, sehnend, fühlend, abgründig. Marc Hosemanns Mephisto, der unruhige Pudel, treibt Faust zum globalen Unternehmertum, Egotrip XXL. Alexander Scheer lässt es krachen als Chris Dercon, als Lord Byron, als Anaxagoras. Dem männlich verdrängenden Prinzip entgegen reitet Valery Tscheplanowa leuchtende Margarete, die ewig Weibliche. Da erscheint, wie das As aus dem Ärmel, Sophie Rois. Als Hexe singt und zaubert sie ganz in ihrem Element. Vom Feinsten. Auch die Bühnenmaschine aus Kamera- und Technikteam liefert Hollywood in Echtzeit. Zur Hölle! L’enfer! Algerienkrieg, Kolonialisierung, Holocaust, Pariser Metro Station Stalingrad. Man versteht nicht alle der uferlosen Assoziationen, Seitenhiebe, Anspielungen, Lachnummern, Durchhänger, Nebenfiguren. So sagt Monsieur Bordenave: »Was bedeutet es? Und wenn es nichts bedeutet, warum ist es dann so lang?« Zustimmendes Raunen im Zuschauerraum. Wer hat gewonnen? Nach sieben Stunden ist das egal. Brillant gespielt, volles Rohr, alles gegeben. Großes Welttheater.
Ein Rausch, ein Fest, ein Faust. Faust nach Castorf. Sieben Stunden. Text-Konglomerat aus Goethe, Zola, Fanon, Sartre, Celan. Und schnell und unbegreiflich schnelle wechseln magische Momente mit tiefem schauervollen Verwandlungswust. »Kunst braucht Wahnsinn«, sagst Castorf und bietet alles auf, was er und seine Spieler und Künstler in den letzten 25 Jahre trainiert haben. Martin Wuttkes Faust lässt einen staunen – mit wie viel Selbstverständlichkeit er das alles sein kann: alt, jung, epileptisch, sehnend, fühlend, abgründig. Marc Hosemanns Mephisto, der unruhige Pudel, treibt Faust zum globalen Unternehmertum, Egotrip XXL. Alexander Scheer lässt es krachen als Chris Dercon, als Lord Byron, als Anaxagoras. Dem männlich verdrängenden Prinzip entgegen reitet Valery Tscheplanowa leuchtende Margarete, die ewig Weibliche. Da erscheint, wie das As aus dem Ärmel, Sophie Rois. Als Hexe singt und zaubert sie ganz in ihrem Element. Vom Feinsten. Auch die Bühnenmaschine aus Kamera- und Technikteam liefert Hollywood in Echtzeit. Zur Hölle! L’enfer! Algerienkrieg, Kolonialisierung, Holocaust, Pariser Metro Station Stalingrad. Man versteht nicht alle der uferlosen Assoziationen, Seitenhiebe, Anspielungen, Lachnummern, Durchhänger, Nebenfiguren. So sagt Monsieur Bordenave: »Was bedeutet es? Und wenn es nichts bedeutet, warum ist es dann so lang?« Zustimmendes Raunen im Zuschauerraum. Wer hat gewonnen? Nach sieben Stunden ist das egal. Brillant gespielt, volles Rohr, alles gegeben. Großes Welttheater.
Nichts ist in diesen Zeiten mehr sicher, nicht mal die Null. Im neuen Stück von Herbert Fritsch loten, suchen, verlieren sich neun Spieler im »groud zero« der ausgeräumten Schaubühne. Die Null ist nicht Nichts, also muss da etwas zu finden sein. So gibt es im ersten Teil eine Ver-Suchs-Anordnung mit gesprochenen und gesampelten Versatzstücken, wie aus einem Probenmittschnitt, aufgehängt als schwebendes Verfahren. Ist man beim Tanztee mit zwei Schritt nach vorn und zwei zurück wieder bei Null? Ist die Mitte auch eine Richtung? Der Stillstand eine schwarze Null? Ist es nichtssagend, wenn man nichts sagt? Und nähert man sich so der Null? Es wird gependelt, geschritten, getanzt, durchwandert, umrundet, geträllert, geblasen, gestapelt (hoch und tief), gerutscht, geleert, gefüllt, bevölkert.
Am Ende erfreut die Null-Nummern-Revue als eine Aneinanderreihung von Fingerübungen: mit leuchtenden Momenten, mit Längen, aber echte Stille als Nullpunkt trauen sie sich nicht. Zum Finale mündet die symphonische Extase auf Blechblasinstrumenten in einen Mensch-Maschinen-Tanz. Alles virtuos vorgeturnt, schadenfreudig überspannt und doch für den großen Wurf etwas flach gespielt.
Schaubühne, Berlin Mo 26. März 2018 um 20:30 h Di 27. März 2018 um 20:30 h Mi 28. März 2018 um 20:30 h Fr 30. März 2018 um 20:30 h So 1. April 2018 um 20 h Mo 2. April 2018 um 20 h Fr 27. April 2018 um 20 h Sa 28. April 2018 um 20:30 h So 29. April 2018 um 20.30 h Mo 30. April 2018 um 20 h Di 1. Mai 2018 um 20 h Mi 2. Mai 2018 um 20 h
Nichts ist in diesen Zeiten mehr sicher, nicht mal die Null. Im neuen Stück von Herbert Fritsch loten, suchen, verlieren sich neun Spieler im »groud zero« der ausgeräumten Schaubühne. Die Null ist nicht Nichts, also muss da etwas zu finden sein. So gibt es im ersten Teil eine Ver-Suchs-Anordnung mit gesprochenen und gesampelten Versatzstücken, wie aus einem Probenmittschnitt, aufgehängt als schwebendes Verfahren. Ist man beim Tanztee mit zwei Schritt nach vorn und zwei zurück wieder bei Null? Ist die Mitte auch eine Richtung? Der Stillstand eine schwarze Null? Ist es nichtssagend, wenn man nichts sagt? Und nähert man sich so der Null? Es wird gependelt, geschritten, getanzt, durchwandert, umrundet, geträllert, geblasen, gestapelt (hoch und tief), gerutscht, geleert, gefüllt, bevölkert.
Am Ende erfreut die Null-Nummern-Revue als eine Aneinanderreihung von Fingerübungen: mit leuchtenden Momenten, mit Längen, aber echte Stille als Nullpunkt trauen sie sich nicht. Zum Finale mündet die symphonische Extase auf Blechblasinstrumenten in einen Mensch-Maschinen-Tanz. Alles virtuos vorgeturnt, schadenfreudig überspannt und doch für den großen Wurf etwas flach gespielt.
Schaubühne, Berlin Mo 26. März 2018 um 20:30 h Di 27. März 2018 um 20:30 h Mi 28. März 2018 um 20:30 h Fr 30. März 2018 um 20:30 h So 1. April 2018 um 20 h Mo 2. April 2018 um 20 h Fr 27. April 2018 um 20 h Sa 28. April 2018 um 20:30 h So 29. April 2018 um 20.30 h Mo 30. April 2018 um 20 h Di 1. Mai 2018 um 20 h Mi 2. Mai 2018 um 20 h
Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys führen uns mit Ihrem neuen Programm durch die Nacht – es beginnt mit Wolfgang Borcherts Laternentraum: »Wenn ich tot bin, möchte ich immerhin so eine Laterne sein …«. Ulrich Tukur spricht so vertraut aus dem Bühnendunkel, als säße er neben einem auf der Bettkante. Und dann dreht das Quartett auf: mit Spielfreude, Eleganz, Witz, Swingmusik und deutschen Chansons aus den 1920 und 30er Jahren. Die Klassiker »Moonlight Serenade«, »Moonglow«, »Night and Day« unterbricht Ulrich Tukur mit abstrusen Geschichten über seine alten Freunde Cole Porter, Benny Goodman, Glenn Miller und Neil Amstrong (ja, den auch). In der zweiten Hälfte tauschen sie die tadellosen Anzüge gegen Pyjamas ein: Ulrich Mayer, Günter Märtens, und Kalle Mews geben zusammen mit dem Schauspieler Ulrich Tukur die Klang- und Schwingungserzeuger, dazwischen Gedichte und Geschichten, die sich bisweilen in mondähnliche Höhen versteigen. Es kommen allerlei Beerdigungen und Caravanen vor und so lernen wir, dass »Dream a little dream of me« schon 1931 geschrieben wurde oder die BVG in »Mit der letzten Straßenbahn« von 1943 vorkommt. An Musikalität und Unterhaltung ist die Reise zum Mond nicht zu überbieten. So schwingt und klingt der Abend aus: tosender Applaus. An Schlaf ist nicht zu denken.
Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys führen uns mit Ihrem neuen Programm durch die Nacht – es beginnt mit Wolfgang Borcherts Laternentraum: »Wenn ich tot bin, möchte ich immerhin so eine Laterne sein …«. Ulrich Tukur spricht so vertraut aus dem Bühnendunkel, als säße er neben einem auf der Bettkante. Und dann dreht das Quartett auf: mit Spielfreude, Eleganz, Witz, Swingmusik und deutschen Chansons aus den 1920 und 30er Jahren. Die Klassiker »Moonlight Serenade«, »Moonglow«, »Night and Day« unterbricht Ulrich Tukur mit abstrusen Geschichten über seine alten Freunde Cole Porter, Benny Goodman, Glenn Miller und Neil Amstrong (ja, den auch). In der zweiten Hälfte tauschen sie die tadellosen Anzüge gegen Pyjamas ein: Ulrich Mayer, Günter Märtens, und Kalle Mews geben zusammen mit dem Schauspieler Ulrich Tukur die Klang- und Schwingungserzeuger, dazwischen Gedichte und Geschichten, die sich bisweilen in mondähnliche Höhen versteigen. Es kommen allerlei Beerdigungen und Caravanen vor und so lernen wir, dass »Dream a little dream of me« schon 1931 geschrieben wurde oder die BVG in »Mit der letzten Straßenbahn« von 1943 vorkommt. An Musikalität und Unterhaltung ist die Reise zum Mond nicht zu überbieten. So schwingt und klingt der Abend aus: tosender Applaus. An Schlaf ist nicht zu denken.
Es beginnt mit einem Zaubertrick: Kohlhaas wird geköpft. Vorhang. Ein Satz von Kleist mit Märchenerzählerstimme aus dem Off. Dann eine lange Slapsticksequenz: drei Spieler in einer Bretterbude (Thomas Niehaus, Jörg Pohl, Paul Schröder). Man hält sie für reaktive Beamte, die aussehen wie Untote und eintreffende Weisungen ausführen, bis sich nach 42 wortlosen Minuten herausstellt, dass sie Unternehmer sind (die Gebrüder K. nämlich) und die Flut der Weisungen sie plötzlich übermannt. Antú Romero Nunes setzt bei seiner Inszenierung alles aufs Spiel. Er scheitert und gewinnt zugleich und es ist ihm Ernst mit beidem. Wie Michael Kohlhaas. Kohlhass will sich Recht verschaffen.
Kleist beschreibt den Konflikt zwischen Naturrecht und positivem Recht, das durch Gesetzgebung entsteht. Der Abend ist eine vehemente Aufforderung sich genau damit auseinander zu setzen. Wenn Konzerne praktisch keine Steuern zahlen, ist die öffentliche Erregung groß. Nach geltendem Recht tun sie nichts Ungesetzliches. Es muss das positive Recht also dem ethisches Empfinden (Naturrecht) angepasst werden. Das fordert Kohlhass für sich ein. In einem Feuerwerk aus Ideen und Anspielungen prasseln, lodern, brennen die Kohlhaas’schen Fragen nach Ordnung und Unordnung, Macht und Ohnmacht, Recht und Gerechtigkeit, Verunsicherung und Sicherheit, Verfolgen und Verfolgt, Kampf und Verletzlichkeit, Scheitern, Gelingen und danach ein Ende zu finden. Nunes glückt das Kunststück einer komödiantischen Tragödie, einer tragischen Komödie. Ein kluger Abend mit reichlich Stoff sich zu erregen.
Thalia Theater Hamburg Sa 27. Januar 2018 um 19:30 h Di 6. Februar 2018 um 20 h Sa 10. Februar 2018 um 20 h So 11. Februar 2018 um 15 h So 18. Februar 2018 um 19 h Fr 23. Februar 2018 um 20 h Sa 10. März 2018 um 20 h Mi 14. März 2018 um 20 h Do 15. März 2018 um 20 h Mo 23. April 2018 um 20 h Di 15. Mai 2018 um 20 h Fr 25. Mai 2018 um 20 h Do 07. Juni 2018 um 20 h So 17. Juni 2018 um 17 h Sa 23. Juni 2018 um 14 h
Es beginnt mit einem Zaubertrick: Kohlhaas wird geköpft. Vorhang. Ein Satz von Kleist mit Märchenerzählerstimme aus dem Off. Dann eine lange Slapsticksequenz: drei Spieler in einer Bretterbude (Thomas Niehaus, Jörg Pohl, Paul Schröder). Man hält sie für reaktive Beamte, die aussehen wie Untote und eintreffende Weisungen ausführen, bis sich nach 42 wortlosen Minuten herausstellt, dass sie Unternehmer sind (die Gebrüder K. nämlich) und die Flut der Weisungen sie plötzlich übermannt. Antú Romero Nunes setzt bei seiner Inszenierung alles aufs Spiel. Er scheitert und gewinnt zugleich und es ist ihm Ernst mit beidem. Wie Michael Kohlhaas. Kohlhass will sich Recht verschaffen.
Kleist beschreibt den Konflikt zwischen Naturrecht und positivem Recht, das durch Gesetzgebung entsteht. Der Abend ist eine vehemente Aufforderung sich genau damit auseinander zu setzen. Wenn Konzerne praktisch keine Steuern zahlen, ist die öffentliche Erregung groß. Nach geltendem Recht tun sie nichts Ungesetzliches. Es muss das positive Recht also dem ethisches Empfinden (Naturrecht) angepasst werden. Das fordert Kohlhass für sich ein. In einem Feuerwerk aus Ideen und Anspielungen prasseln, lodern, brennen die Kohlhaas’schen Fragen nach Ordnung und Unordnung, Macht und Ohnmacht, Recht und Gerechtigkeit, Verunsicherung und Sicherheit, Verfolgen und Verfolgt, Kampf und Verletzlichkeit, Scheitern, Gelingen und danach ein Ende zu finden. Nunes glückt das Kunststück einer komödiantischen Tragödie, einer tragischen Komödie. Ein kluger Abend mit reichlich Stoff sich zu erregen.
Thalia Theater Hamburg Sa 27. Januar 2018 um 19:30 h Di 6. Februar 2018 um 20 h Sa 10. Februar 2018 um 20 h So 11. Februar 2018 um 15 h So 18. Februar 2018 um 19 h Fr 23. Februar 2018 um 20 h Sa 10. März 2018 um 20 h Mi 14. März 2018 um 20 h Do 15. März 2018 um 20 h Mo 23. April 2018 um 20 h Di 15. Mai 2018 um 20 h Fr 25. Mai 2018 um 20 h Do 07. Juni 2018 um 20 h So 17. Juni 2018 um 17 h Sa 23. Juni 2018 um 14 h
»Die Menschen sterben und sie sind nicht glücklich,« sagt Caligula am Anfang des anderthalb stündigen Abends. Er stellt das fest, aber glauben können wir ihm an keiner Stelle, dass er nur »ein wenig glücklich sein möchte.« Constanze Beckers Caligula scheint im Trockengefrierverfahren jedes Leben und jede Menschlichkeit verloren zu haben. So sinnentleert die Figur von Mord zu Mord Richtung Selbstzerstörung stolziert, so wenig betrifft uns das, was auf der Bühne passiert. Antú Romero Nunes zielt hoch und stellt auch seinen Glauben an Theater, an Kunst in Frage. Sein groteskes Spektakel erzeugt Momente poetischer Absurdität und Kraft, wenn etwa die eben gemeuchelte Annika Meier virtuos wieder aufersteht. Das macht sie mit großer Verve. Aber anders als bei Richard III oder Orestie erreicht Nunes mit seiner Inszenierung die humanitäre Relevanz des Camus Textes nicht. »Wer alles versteht, handelt nicht«, heißt es am Ende. Und so verstehen wir vielleicht nicht Nichts, aber doch zu wenig.
Berliner Ensemble, Berlin Fr 29. September 2017 So 1. Oktober 2017 Mo 2. Oktober 2017 Di 10. Oktober 2017 Di 17. Oktober 2017 Mi 18. Oktober 2017 Mi 25. Oktober 2017 So 29. Oktober 2017 jeweils um 19:30
»Die Menschen sterben und sie sind nicht glücklich,« sagt Caligula am Anfang des anderthalb stündigen Abends. Er stellt das fest, aber glauben können wir ihm an keiner Stelle, dass er nur »ein wenig glücklich sein möchte.« Constanze Beckers Caligula scheint im Trockengefrierverfahren jedes Leben und jede Menschlichkeit verloren zu haben. So sinnentleert die Figur von Mord zu Mord Richtung Selbstzerstörung stolziert, so wenig betrifft uns das, was auf der Bühne passiert. Antú Romero Nunes zielt hoch und stellt auch seinen Glauben an Theater, an Kunst in Frage. Sein groteskes Spektakel erzeugt Momente poetischer Absurdität und Kraft, wenn etwa die eben gemeuchelte Annika Meier virtuos wieder aufersteht. Das macht sie mit großer Verve. Aber anders als bei Richard III oder Orestie erreicht Nunes mit seiner Inszenierung die humanitäre Relevanz des Camus Textes nicht. »Wer alles versteht, handelt nicht«, heißt es am Ende. Und so verstehen wir vielleicht nicht Nichts, aber doch zu wenig.
Berliner Ensemble, Berlin Fr 29. September 2017 So 1. Oktober 2017 Mo 2. Oktober 2017 Di 10. Oktober 2017 Di 17. Oktober 2017 Mi 18. Oktober 2017 Mi 25. Oktober 2017 So 29. Oktober 2017 jeweils um 19:30
Ein Sog, ein Brennen, ein Jahrhundertroman. Über 100 Jahre und 1200 Seiten umspannt der Roman von Nino Haratischwili, erzählt den Aufstieg und Fall des Kommunismus aus der Sicht von fünf Generationen der georgischen Familie Jaschi: Warum etwa aus dem freundlichen Kind Kostja ein gar nicht mehr freundlicher Großvater wird.
Jette Steckel schafft mit ihrer Bühnenfassung eine magische Adaption, aus dramatischen Episoden und heiteren Momenten, die den Zuschauer fast fünf Stunden in ihren Bann zieht. Die neun Spieler verweben die Verstrickungen ihrer Figuren mit dem System, mit den Herrschenden, mit den anderen, zu einen großen roten Teppich, der im Laufe des Abends Stück für Stück abgerollt wird. Sie tanzen, singen und spielen vor historischen Filmprojektionen und geben eine Ahnung davon, wie es hinter dem eisernen Vorhang gewesen sein könnte. Geschichte ist immer erstmal subjektiv – bevor Historiker bemüht sind eine Art Objektivität herzustellen. Jette Steckel bringt uns die Subjektivität der Figuren ganz nah und schreibt damit Geschichte.
Großes Kino, großes Theater. Stehende Ovationen.
Thalia Theater Hamburg
Di 11. April 2017 um 19 h
Sa 22. April 2017 um 19 h
So 23. April 2017 um 14 h
Sa 6. Mai 2017 um 19 h
So 7. Mai 2017 um 19 h
Mo 15. Mai 2017 um 19 h
Di 16. Mai 2017 um 19 h
Mi 28. Juni 2017 um 19 h
Do 29. Juni 2017 um 19 h
Fr 7. Juli 2017 um 19 h
Ein Sog, ein Brennen, ein Jahrhundertroman. Über 100 Jahre und 1200 Seiten umspannt der Roman von Nino Haratischwili, erzählt den Aufstieg und Fall des Kommunismus aus der Sicht von fünf Generationen der georgischen Familie Jaschi: Warum etwa aus dem freundlichen Kind Kostja ein gar nicht mehr freundlicher Großvater wird.
Jette Steckel schafft mit ihrer Bühnenfassung eine magische Adaption, aus dramatischen Episoden und heiteren Momenten, die den Zuschauer fast fünf Stunden in ihren Bann zieht. Die neun Spieler verweben die Verstrickungen ihrer Figuren mit dem System, mit den Herrschenden, mit den anderen, zu einen großen roten Teppich, der im Laufe des Abends Stück für Stück abgerollt wird. Sie tanzen, singen und spielen vor historischen Filmprojektionen und geben eine Ahnung davon, wie es hinter dem eisernen Vorhang gewesen sein könnte. Geschichte ist immer erstmal subjektiv – bevor Historiker bemüht sind eine Art Objektivität herzustellen. Jette Steckel bringt uns die Subjektivität der Figuren ganz nah und schreibt damit Geschichte.
Großes Kino, großes Theater. Stehende Ovationen.
Thalia Theater Hamburg
Di 11. April 2017 um 19 h
Sa 22. April 2017 um 19 h
So 23. April 2017 um 14 h
Sa 6. Mai 2017 um 19 h
So 7. Mai 2017 um 19 h
Mo 15. Mai 2017 um 19 h
Di 16. Mai 2017 um 19 h
Mi 28. Juni 2017 um 19 h
Do 29. Juni 2017 um 19 h
Fr 7. Juli 2017 um 19 h
Was mit neun Toten enden soll beginnt mit einem Satz. Richard springt mitten in die Handlung und rührt die große Trommel: „Now is the winter of our discontent.“ Jörg Pohl turnt, tanzt und trommelt einen Richard, der ganz menschlich und nachvollziehbar bleibt, auch wenn er sich Mord um Mord tiefer in die Düsternis begibt.
Antú Romero Nunes wirft mit acht fabelhaften Spielern einen klugen und differenzierten Blick auf Shakespeares Drama. Das Böse kann grotesk sein, absurd, heiter. Die Schlächter von Srebrenica sollen liebevolle Familienväter gewesen sein. Wie passen Grausamkeit, Liebeshunger und Zärtlichkeit zusammen? Jörg Pohl erzählt uns das so schlüssig wie virtuos.
Dem Ensemble gelingt ein großer freier Abend, durchweht von Ahnungen der Menschlichkeit – und entlässt uns erstaunlich zuversichtlich.
Thalia Theater Hamburg
Sa 12. November 2016 um 15 h
So 13. November 2016 um 19 h
Do 8. Dezember 2016 um 20 h
Di 13. Dezember 2016 um 20 h
Mo 19. Dezember 2016 um 20 h
Sa 17. Juni 2017 um 20 h
So 18. Juni 2017 um 19 h
Mo 3. Juli 2017 um 20 h
Di 4. Juli 2017 um 20 h
Was mit neun Toten enden soll beginnt mit einem Satz. Richard springt mitten in die Handlung und rührt die große Trommel: „Now is the winter of our discontent.“ Jörg Pohl turnt, tanzt und trommelt einen Richard, der ganz menschlich und nachvollziehbar bleibt, auch wenn er sich Mord um Mord tiefer in die Düsternis begibt.
Antú Romero Nunes wirft mit acht fabelhaften Spielern einen klugen und differenzierten Blick auf Shakespeares Drama. Das Böse kann grotesk sein, absurd, heiter. Die Schlächter von Srebrenica sollen liebevolle Familienväter gewesen sein. Wie passen Grausamkeit, Liebeshunger und Zärtlichkeit zusammen? Jörg Pohl erzählt uns das so schlüssig wie virtuos.
Dem Ensemble gelingt ein großer freier Abend, durchweht von Ahnungen der Menschlichkeit – und entlässt uns erstaunlich zuversichtlich.
Thalia Theater Hamburg
Sa 12. November 2016 um 15 h
So 13. November 2016 um 19 h
Do 8. Dezember 2016 um 20 h
Di 13. Dezember 2016 um 20 h
Mo 19. Dezember 2016 um 20 h
Sa 17. Juni 2017 um 20 h
So 18. Juni 2017 um 19 h
Mo 3. Juli 2017 um 20 h
Di 4. Juli 2017 um 20 h
»Ich betrachte mich als bildenden Künstler,« sagt Jérôme Bel über sich. Und so benannte er sein zweites Stück einfach nach sich selbst. Das war 1995. Seine experimentelle Performance war seitdem über 160 Mal auf der ganzen Welt zu sehen. Die vier nackten Akteure sind noch die gleichen wie vor 20 Jahren. Nicht nur das macht die Inszenierung zur historischen Aufführung. Jérôme Bel zitiert aus den Happenings der 1960er Jahre und bringt diese wiederum in den Bühnenraum, spielt mit Köpern, Licht, Musik – und dem Publikum.
In der einstündigen Performance entwirft Bel gleichsam eine humorvolle »Gegendarstellung« zum Tanz. Er konfrontiert unsere Sehgewohnheiten mit nicht ausgebildeten, nicht-erotischen Anti-Körpern. Er reduziert seine Idee des Nicht-Tanzes bis zu einem minimalistischen Nullpunkt, wo er jeden Erzählstrang verweigert. Was ist Identität? Die Summe aus Marken, Maßen, Größen, Gewicht und Kontoständen?
Hebbel am Ufer, Berlin
Fr 16. September 2016
im Anschluss Publikumsgespräch
FIAF/Crossing the Line Festival, MoMA, New York
Do 27.– Sa 29. Oktober 2016
FringeArts, Live Arts Festival, Philadelphia
2. und 3. November 2016
Bookend Festival, Walker Art Center, Minneapolis
Fr 4. November 2016
»Ich betrachte mich als bildenden Künstler,« sagt Jérôme Bel über sich. Und so benannte er sein zweites Stück einfach nach sich selbst. Das war 1995. Seine experimentelle Performance war seitdem über 160 Mal auf der ganzen Welt zu sehen. Die vier nackten Akteure sind noch die gleichen wie vor 20 Jahren. Nicht nur das macht die Inszenierung zur historischen Aufführung. Jérôme Bel zitiert aus den Happenings der 1960er Jahre und bringt diese wiederum in den Bühnenraum, spielt mit Köpern, Licht, Musik – und dem Publikum.
In der einstündigen Performance entwirft Bel gleichsam eine humorvolle »Gegendarstellung« zum Tanz. Er konfrontiert unsere Sehgewohnheiten mit nicht ausgebildeten, nicht-erotischen Anti-Körpern. Er reduziert seine Idee des Nicht-Tanzes bis zu einem minimalistischen Nullpunkt, wo er jeden Erzählstrang verweigert. Was ist Identität? Die Summe aus Marken, Maßen, Größen, Gewicht und Kontoständen?
Hebbel am Ufer, Berlin
Fr 16. September 2016
im Anschluss Publikumsgespräch
FIAF/Crossing the Line Festival, MoMA, New York
Do 27.– Sa 29. Oktober 2016
FringeArts, Live Arts Festival, Philadelphia
2. und 3. November 2016
Bookend Festival, Walker Art Center, Minneapolis
Fr 4. November 2016
Der Art Center CAMPO in Ghent bittet Milo Rau ein Kinderstück mit belgischen Kindern zu machen. Nichts ist für ihn naheliegender als ein Stück über Marc Dutroux zu entwickeln. Belgien – KInder – Dutroux. Es heißt »Five Easy Pieces«, wie eine Fingerübung von Igor Strawinsky. Easy ist in diesem Reenactment aber gar nichts. Der Stoff hat es in sich. Der Zuschauer wird konfrontiert mit dem Zuschauen im Theater, mit Voyeurismus und mit Unerhörtem, was man nicht hören will – von Kindern noch viel weniger.
Die sieben Kinder zwischen 8 und 13 Jahren spielen und singen alles, ausser Marc Dutroux. Der bleibt eine Leerstelle, den will keiner spielen. Es gibt immer wieder Momente im Stück, an denen fragt man sich, ob es an Kindesmissbrauch grenzt, Kinder mit diesen Texten auf die Bühne zu stellen. Am Ende bekommt man das Gefühl, die Kinder nehmen das spielen als Spiel und nur die Erwachsenen haben ein Thema mit diesen existentiellen Themen. Großer erleichternder Applaus am Ende und viele intensive Bilder mit denen man nach Hause geht.
Sophiensäle Berlin
Sa 2. Juli 2016 um 19:30 h
So 3. Juli 2016 um 19:30 h
TOpublic Festival Oslo, Norwegen
7. und 8. Juli 2016 19 h
Singapore International Festival of Arts, Victoria Theatre Singapur
18. bis 20. August 2016 um 20 h
Münchner Kammerspiele, München
1. bis 3. Oktober 2016
Frascati Theater Amsterdam
Fr 10 Februar 2017 um 20:30 h
Sa 11 Februar 2017 um 20:30 h
Sick Festival, Manchester
Do 23 – Sa 25 März 2017
Der Art Center CAMPO in Ghent bittet Milo Rau ein Kinderstück mit belgischen Kindern zu machen. Nichts ist für ihn naheliegender als ein Stück über Marc Dutroux zu entwickeln. Belgien – KInder – Dutroux. Es heißt »Five Easy Pieces«, wie eine Fingerübung von Igor Strawinsky. Easy ist in diesem Reenactment aber gar nichts. Der Stoff hat es in sich. Der Zuschauer wird konfrontiert mit dem Zuschauen im Theater, mit Voyeurismus und mit Unerhörtem, was man nicht hören will – von Kindern noch viel weniger.
Die sieben Kinder zwischen 8 und 13 Jahren spielen und singen alles, ausser Marc Dutroux. Der bleibt eine Leerstelle, den will keiner spielen. Es gibt immer wieder Momente im Stück, an denen fragt man sich, ob es an Kindesmissbrauch grenzt, Kinder mit diesen Texten auf die Bühne zu stellen. Am Ende bekommt man das Gefühl, die Kinder nehmen das spielen als Spiel und nur die Erwachsenen haben ein Thema mit diesen existentiellen Themen. Großer erleichternder Applaus am Ende und viele intensive Bilder mit denen man nach Hause geht.
Sophiensäle Berlin
Sa 2. Juli 2016 um 19:30 h
So 3. Juli 2016 um 19:30 h
TOpublic Festival Oslo, Norwegen
7. und 8. Juli 2016 19 h
Singapore International Festival of Arts, Victoria Theatre Singapur
18. bis 20. August 2016 um 20 h
Münchner Kammerspiele, München
1. bis 3. Oktober 2016
Frascati Theater Amsterdam
Fr 10 Februar 2017 um 20:30 h
Sa 11 Februar 2017 um 20:30 h
Sick Festival, Manchester
Do 23 – Sa 25 März 2017
Ein Bauzaun versperrt den Blick auf die Bühne. Nach und nach bekommt der Zuschauer Einblick in das, was dahinter vor sich geht. Vierzig junge Berliner zwischen 13 und 19 Jahren singen, tanzen und spielen zum Thema »Raus«. Da geht es um Flüchtende, Freiheit, Grenzen, aber auch um Pubertät als Grenzerfahrung, erste Liebe, Mut und was es bedeutet anders zu sein.
Mit viel Gespür für zarte Nuancen und große Gesten inszeniert Rachel Hameleers, die künstlerischen Leiterin der Kreuzberger »Academy«, diesen hinreißenden Abend. Sie brennen, diese Kids, und sie reißen mit, mit Ihrer Begeisterung und ihrem Talent. Eine Produktion, die man auf keinen Fall verpassen darf.
Alte Feuerwache, Berlin
Mi 22. Juni 2016, 19:30 h
Do 23. Juni 2016, 19:30 h
Fr 24. Juni 2016, 19:30 h
Sa 25. Juni 2016, 16 h
Restkarten an der Abendkasse
Academy Casting Workshop
Sa 17. September 2016, 12–16 Uhr oder
So 18. September 2016, 12–16 Uhr
Ein Bauzaun versperrt den Blick auf die Bühne. Nach und nach bekommt der Zuschauer Einblick in das, was dahinter vor sich geht. Vierzig junge Berliner zwischen 13 und 19 Jahren singen, tanzen und spielen zum Thema »Raus«. Da geht es um Flüchtende, Freiheit, Grenzen, aber auch um Pubertät als Grenzerfahrung, erste Liebe, Mut und was es bedeutet anders zu sein.
Mit viel Gespür für zarte Nuancen und große Gesten inszeniert Rachel Hameleers, die künstlerischen Leiterin der Kreuzberger »Academy«, diesen hinreißenden Abend. Sie brennen, diese Kids, und sie reißen mit, mit Ihrer Begeisterung und ihrem Talent. Eine Produktion, die man auf keinen Fall verpassen darf.
Alte Feuerwache, Berlin
Mi 22. Juni 2016, 19:30 h
Do 23. Juni 2016, 19:30 h
Fr 24. Juni 2016, 19:30 h
Sa 25. Juni 2016, 16 h
Restkarten an der Abendkasse
Academy Casting Workshop
Sa 17. September 2016, 12–16 Uhr oder
So 18. September 2016, 12–16 Uhr
Dieser Abend ist »Forced Entertainment«. Das Performance Kollektiv aus Sheffield macht seinem Namen alle Ehre. »Real Magic« bringt die großen Themen des Lebens auf den Punkt: Veränderung, Wandel, Umbruch. Und die Einschränkungen, die wir uns selbst auferlegen. Eine Metapher für Wegschauen, Grenzenschließen, Brexit.
Die Versuchsanordnung von »Real Magic« bewegt sich zwischen Spielshow und Zaubervorführung. Gedanken sollen gelesen werden. Eine winzige Szene aus dem Cabaret, die wir am Ende 36 Mal gesehen haben. Die drei Spieler Claire Marshall, Jerry Killick und Richard Lowdon zelebrieren in der Tradition Becketts die Absurdität des Scheiterns. Eine Niederlage nach der anderen wird vorgeführt. Ein Kandidat wird vorgeführt. Rollenwechsel.
Optimismus und Hoffnung bleiben bis zum Schluss. Und so ausweglos und unentrinnbar das Script, so sehr hofft man auf Erlösung. Eine pralle, rasend komische Show, bei der alle Beschreibungen scheitern müssen: Man muss »Real Magic« einfach sehen. Brillant.
Hebbel am Ufer, HAU2, Berlin
Fr 3. Juni 2016 um 20:30 h
Sa 4. Juni 2016 um 20:00 h
Show in English
Dieser Abend ist »Forced Entertainment«. Das Performance Kollektiv aus Sheffield macht seinem Namen alle Ehre. »Real Magic« bringt die großen Themen des Lebens auf den Punkt: Veränderung, Wandel, Umbruch. Und die Einschränkungen, die wir uns selbst auferlegen. Eine Metapher für Wegschauen, Grenzenschließen, Brexit.
Die Versuchsanordnung von »Real Magic« bewegt sich zwischen Spielshow und Zaubervorführung. Gedanken sollen gelesen werden. Eine winzige Szene aus dem Cabaret, die wir am Ende 36 Mal gesehen haben. Die drei Spieler Claire Marshall, Jerry Killick und Richard Lowdon zelebrieren in der Tradition Becketts die Absurdität des Scheiterns. Eine Niederlage nach der anderen wird vorgeführt. Ein Kandidat wird vorgeführt. Rollenwechsel.
Optimismus und Hoffnung bleiben bis zum Schluss. Und so ausweglos und unentrinnbar das Script, so sehr hofft man auf Erlösung. Eine pralle, rasend komische Show, bei der alle Beschreibungen scheitern müssen: Man muss »Real Magic« einfach sehen. Brillant.
Hebbel am Ufer, HAU2, Berlin
Fr 3. Juni 2016 um 20:30 h
Sa 4. Juni 2016 um 20:00 h
Show in English
Es schneit zwei Stunden lang. Ohne Pause. Simon Stone übermalt Ibsen mit neuer heutiger Sprache. Da fallen Nuancen unter den Tisch, dafür wirkt die Neufassung direkter, schneller und greller. Storytelling ist dem Regisseur wichtiger als die 120 Jahre alte Original-Sprache. Plötzlich ist Borkmann ein Frauenstück.
Martin Wuttke als Borkmann, Birgit Minichmayr als seine Frau und Caroline Peters als ihre Zwillingsschwester zaubern daraus exzellentes Schauspielertheater mit mehr Slap-Stick-Elementen und weniger Tragik. Man sieht ihnen gerne dabei zu, wie sie aus dem Vollen schöpfen. Fast geht man heiter aus diesem Abend.
Burgtheater Wien, Akademietheater
Termine für die neue Spielzeit folgen
Theater Basel
Termine für die neue Spielzeit folgen
In einer Aufzeichnung zu sehen auf 3sat
Es schneit zwei Stunden lang. Ohne Pause. Simon Stone übermalt Ibsen mit neuer heutiger Sprache. Da fallen Nuancen unter den Tisch, dafür wirkt die Neufassung direkter, schneller und greller. Storytelling ist dem Regisseur wichtiger als die 120 Jahre alte Original-Sprache. Plötzlich ist Borkmann ein Frauenstück.
Martin Wuttke als Borkmann, Birgit Minichmayr als seine Frau und Caroline Peters als ihre Zwillingsschwester zaubern daraus exzellentes Schauspielertheater mit mehr Slap-Stick-Elementen und weniger Tragik. Man sieht ihnen gerne dabei zu, wie sie aus dem Vollen schöpfen. Fast geht man heiter aus diesem Abend.
Burgtheater Wien, Akademietheater
Termine für die neue Spielzeit folgen
Theater Basel
Termine für die neue Spielzeit folgen
In einer Aufzeichnung zu sehen auf 3sat
Karin Beier baut einen Drei-Stunden-Abend wie ein Schiff. Er beginnt auf dem intellektuellen Oberdeck. Nah an Fellinis Film »Schiff der Träume«. Die geschlossene Gesellschaft der Orchestermitglieder probt »Human Rights Nr. 4«, das Opus ihres verstorbenen Dirigenten, auf dem Weg zu seiner Seebestattung in er Ägäis.
Dann die zweite Hälfte des Abends: Veränderung. In Seenot geratene Refugees werden gerettet und aufgenommen. Aber die »Geretteten« nehmen nicht, sie geben. Sie bringen Heil, Humor und Verjüngungsgene für unsere überalterten mitteleuropäischen Gesellschaften. Das proklamieren sie herrlich ironisch, rasant, farbig und bewegend. Ihr »Schwarzen Humor« überrascht und stellt manches auf den Kopf. Trotzdem meint die Oberdeckgesellschaft: Das Boot sei voll. Die drögen weißen Herrenmenschen kommen mit den aufregenden schwarzen Afrikanern nicht wirklich zusammen. Und der Abend nicht wirklich mit seinen Ansprüchen.
Deutsches Theater Hamburg
Sa 28. Mai 2016 um 19:30 h
So 19. Juni 2016 um 18:00 h
Karin Beier baut einen Drei-Stunden-Abend wie ein Schiff. Er beginnt auf dem intellektuellen Oberdeck. Nah an Fellinis Film »Schiff der Träume«. Die geschlossene Gesellschaft der Orchestermitglieder probt »Human Rights Nr. 4«, das Opus ihres verstorbenen Dirigenten, auf dem Weg zu seiner Seebestattung in er Ägäis.
Dann die zweite Hälfte des Abends: Veränderung. In Seenot geratene Refugees werden gerettet und aufgenommen. Aber die »Geretteten« nehmen nicht, sie geben. Sie bringen Heil, Humor und Verjüngungsgene für unsere überalterten mitteleuropäischen Gesellschaften. Das proklamieren sie herrlich ironisch, rasant, farbig und bewegend. Ihr »Schwarzen Humor« überrascht und stellt manches auf den Kopf. Trotzdem meint die Oberdeckgesellschaft: Das Boot sei voll. Die drögen weißen Herrenmenschen kommen mit den aufregenden schwarzen Afrikanern nicht wirklich zusammen. Und der Abend nicht wirklich mit seinen Ansprüchen.
Deutsches Theater Hamburg
Sa 28. Mai 2016 um 19:30 h
So 19. Juni 2016 um 18:00 h
Flüchtlinge kommen zu uns und bringen ihre Geschichte mit. Scheinbar hat es diese massive Migrationsbewegung gebraucht, bis Europa aufhorchte und begriff, was in Syrien passiert. Milo Raus Inszenierung thematisiert die Arroganz der Berichterstattung und die Arroganz des Helfens.
Ursina Lardis Kunstfigur berichtet als Ich-Erzählerin von ihren »Erfahrungen« als Helferin. Die Texte speisen sich aus Interviews mit NGO-Mitarbeitern, Geistlichen und Kriegsopfern in Afrika und Europa. Nahe kommt einem das nicht. Und vielleicht soll es das auch nicht. Ursina Lardi spielt eine Schauspielerin, die eine Schauspielerin spielt, die einen Text vorträgt. Milo Rau konfrontiert die Erwartung des Zuschauers mitzuleiden oder sich einzufühlen mit kühler Arroganz.
Inhaltlich hält der Abend eher denen den Spiegel vor, die vermutlich nicht ins Theater gehen. Für die Anwesenden aber ist die kolonial und globale Kapitalismuskritik in weiten Strecken absehbar und wenig überraschend. Am Ende bleib auch ein Geschmack von »gut gemeint«. Milo Rau hat erheblich Grundsätzlicheres auf die Bühne gebracht – wie etwa mit Hate Radio.
Schaubühne, Berlin
Do 31.März 2016 bis So 3.April 2016
So 10. und Mo 11. April 2016
Weitere Termine im Mai:
15.,18.,19.,,20., 26., 27., 28., 31. Mai 2016
Flüchtlinge kommen zu uns und bringen ihre Geschichte mit. Scheinbar hat es diese massive Migrationsbewegung gebraucht, bis Europa aufhorchte und begriff, was in Syrien passiert. Milo Raus Inszenierung thematisiert die Arroganz der Berichterstattung und die Arroganz des Helfens.
Ursina Lardis Kunstfigur berichtet als Ich-Erzählerin von ihren »Erfahrungen« als Helferin. Die Texte speisen sich aus Interviews mit NGO-Mitarbeitern, Geistlichen und Kriegsopfern in Afrika und Europa. Nahe kommt einem das nicht. Und vielleicht soll es das auch nicht. Ursina Lardi spielt eine Schauspielerin, die eine Schauspielerin spielt, die einen Text vorträgt. Milo Rau konfrontiert die Erwartung des Zuschauers mitzuleiden oder sich einzufühlen mit kühler Arroganz.
Inhaltlich hält der Abend eher denen den Spiegel vor, die vermutlich nicht ins Theater gehen. Für die Anwesenden aber ist die kolonial und globale Kapitalismuskritik in weiten Strecken absehbar und wenig überraschend. Am Ende bleib auch ein Geschmack von »gut gemeint«. Milo Rau hat erheblich Grundsätzlicheres auf die Bühne gebracht – wie etwa mit Hate Radio.
Schaubühne, Berlin
Do 31.März 2016 bis So 3.April 2016
So 10. und Mo 11. April 2016
Weitere Termine im Mai:
15.,18.,19.,,20., 26., 27., 28., 31. Mai 2016
»Kann ich politisch erfolgreich sein und ich selbst bleiben?«, fragen chorisch immer wieder die vier Schauspieler. Nicolas Stemann dampft die 30 Stunden der Erfolgsfernsehserie »Borgen«, um die idealistische dänische Premierministerin Birgitte Nyborg, auf knapp vier Stunden ein. Statt Textzettel gibt es passend Teleprompter über den Köpfen der Zuschauer. Stemann hält sich streckenweise wörtlich an die Dialoge der Originalvorlage, doch scheint der Regisseur dem Zuschauer eher den Glauben an Politik und Demokratie nehmen zu wollen und liefert dazu einen kritischen Blick auf die Serie.
Die Reduzierung des Umfangs produziert manchmal komische Momente der Überzeichnung, oft aber eine holzschnittartige Verflachung. Einblicke und Einsichten, wie Politik gemacht wird und dass es sich auch um ein Handwerk handelt, wie man zu einer Lösung kommt, bleiben auf der Strecke. Die Entzauberung der Figuren und der Politik an sich scheint gewollt: Kommentierende Sidekicks und Kapitalismuskritik sind zwar lustig, bleiben aber im Vergleich zur aktuellen politische Lage eher harmlos. Die Schauspieler machen allesamt einen phantastischen Job und man sieht ihnen, trotz der Längen, gerne dabei zu, wie sie spielend in die 40 verschiedenen Rollen schlüpfen.
Schaubühne, Berlin
Mo 15. Februar 2016
Di 16. Februar 2016
Mi 17. Februar 2016
So 6. März 2016
Mo 7. März 2016
Di 8. März 2016
Sa 30. April 2016
So 1. Mai 2016
»Kann ich politisch erfolgreich sein und ich selbst bleiben?«, fragen chorisch immer wieder die vier Schauspieler. Nicolas Stemann dampft die 30 Stunden der Erfolgsfernsehserie »Borgen«, um die idealistische dänische Premierministerin Birgitte Nyborg, auf knapp vier Stunden ein. Statt Textzettel gibt es passend Teleprompter über den Köpfen der Zuschauer. Stemann hält sich streckenweise wörtlich an die Dialoge der Originalvorlage, doch scheint der Regisseur dem Zuschauer eher den Glauben an Politik und Demokratie nehmen zu wollen und liefert dazu einen kritischen Blick auf die Serie.
Die Reduzierung des Umfangs produziert manchmal komische Momente der Überzeichnung, oft aber eine holzschnittartige Verflachung. Einblicke und Einsichten, wie Politik gemacht wird und dass es sich auch um ein Handwerk handelt, wie man zu einer Lösung kommt, bleiben auf der Strecke. Die Entzauberung der Figuren und der Politik an sich scheint gewollt: Kommentierende Sidekicks und Kapitalismuskritik sind zwar lustig, bleiben aber im Vergleich zur aktuellen politische Lage eher harmlos. Die Schauspieler machen allesamt einen phantastischen Job und man sieht ihnen, trotz der Längen, gerne dabei zu, wie sie spielend in die 40 verschiedenen Rollen schlüpfen.
Schaubühne, Berlin
Mo 15. Februar 2016
Di 16. Februar 2016
Mi 17. Februar 2016
So 6. März 2016
Mo 7. März 2016
Di 8. März 2016
Sa 30. April 2016
So 1. Mai 2016