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schönes, erfreuliches
und bemerkenswertes


Der meistgelesene Kulturblog der Hauptstadt – mit Kurzkritiken zu Theater, Tanz, Performance, Oper, Kunst, Kino und Literatur: bemerkenswert, sehenswert, hörenswert.

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Testzentrum // Abwesenheitsnotiz

© Musikbrauerei 2024

Zwei Frauen, Felicia Binger und Christine Prayon, die wissen, wovon sie sprechen. Sie stehen auf der Bühne für all die, die nicht die Kraft haben, da zu sein. Beide leiden bis heute unter Nebenwirkungen der mRNA Behandlung. Sie wenden sich als Menschen an uns und verkörpern gleichzeitig die Rollen der Lektoren Gabi und der Kabarettistin Christine. 

Die beiden sind so auf den Punkt, dass man aus dem Lachen kaum mehr herauskommt. Aber das eigentliche Wunder passiert in Teil zwei, nach der Lesung und dem Lauterbach. Die Schauspielerinnen legen ihre Rollen ab, steigen herunter von der Bühne und öffnen den Raum für alle. Die Zuschauer sind keine Zuschauer mehr und die Akteure keine Akteure mehr. Alles sprechen miteinander und hören einander zu. Lauschen den Zwischentönen, jenseits von richtig und falsch. Hier wird auch dem Letzten klar, dass wir alle eine Menschheitsfamilie sind, ob gespritzt oder ungespritzt – und dass die Motive für oder gegen das eine oder das andere so vielfältig sind wie unsere Nasen.

Das Buch zum satirischen Abend hat der Westend Verlag herausgebracht. Zu kaufen beim Buchhändler um die Ecke oder beim nächsten Live-Event:
 

Eberswalde, Kleinschmidt
So 9. März 2025 um 19 h

Bonn, Pantheon
Mi 19. März 2025 um 20 h

Zürich, Volkshaus Zürich, Schweiz
So 11. Mai 2025 um 16 h

Seon, Schweiz, Konservi
Mo 12. Mai 2025 um 20:15 h
 

https://www.swr.de/swr1/swr1leute/kabarettistin-christine-prayon-impfschaden-nach-corona-impfung-post-vac-syndrom-100.html

The magic of the sitar with Anoushka Shankar

© Laura Lewis

Ein Weltstar betritt die Bühne der kleinen Philharmonie, barfüßig, allein und so bescheiden wie eine Chorsängerin aus der dritten Reihe. Der Applaus brandet frenetisch und sollte es im Saal jemanden geben, der nicht wüsste, wer Anoushka Shankar ist, spätestens jetzt wäre klar: hier steht ein Ausnahmetalent. Die klassische indischen Musik erlernte sie beim Großmeister Ravi Shankar, ihrem Vater. Der hat seinerzeit dem Western die Ohren geöffnet für die Sitar. Was die Tocher an diesem Abend auf die Bühne zaubert, liegt jenseits von klassischen Sitar Stücken. Anoushka Shankar beginnt in Stille gleitet in das erste Stück: »Offering«. Oszilliert im Rund des Konzertsaals und bringt alle Zuhörer unisono zum Schwingen. Aus einer Andacht entsteht ein Dialog. Die Zuhörer antworten mit Applaus, der eher klingt wie die Erwiderung auf der erste Stück.

Nach »Stolen Moments« und Pacifica, läuft das Ensemble zu Höchstform auf. »What will we remember« steigert sich zu einem melancholisches Crescendo, bevor Anoushka ein paar Worte spricht. Ihr Koffer ging verloren und sie kam in Berlin nur mit Handgepäck an und so trägt sie heute Abend das Dinner Kleid und nicht das geplante Bühnen Outfit. Man könnte meinen, wir sind in die Familie aufgenommen und sitzen bei ihr zuhause auf dem Sofa.

In der zweiten Hälfte »New Dawn«, »Secret Heart«,  »Traces of you« und noch mehr Tiefe aus der Mitte des Herzens des Indischen Subkontinets. Das Weltklasse-Ensemble der Weltmusik aus den Meistern ihres Faches: Arun Ghosh (Klarinette), Sarathy Korwar (Drums), Pirashanna Thevarajah (Indische Percussion) und Tom Farmer (Bass), erschafft eine eine hypnotisierende Mischung aus zeitgenössischen, globalen Reflexionen auf klassische indische Traditionen. Ein Live-Erlebnis der Extraklasse.

Tourdaten Anoushka Shankar 


In der Konzertreihe World auf Einladung der Berliner Philharmoniker spielen im Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin:

Die Stimmen Persiens: Hossein Alizadeh & Hamavayan Ensemble
Fr 15. November 2024, 20.00 Uhr 

Souad Massi – Kosmopolitin aus Algerien
Fr 28. März 2025, 20.00 Uhr

Sona Jobarteh – Zauber der afrikanischen Harfe
Do 29. Mai 2025, 20.00 Uhr
 

Plewka & Schmedtje: »Between the 80’s«

Sie haben uns sofort in ihrem Bann: Barfüßig und ganz in Weiß gekleidet, tanzend, singend bahnen sich Jan und Marco wie zwei Hare Krishnas den Weg durchs Publikum. Wir wollen die Mantren direkt mitsingen, ihnen folgen, ihrem Strahlen in den Augen und in der Stimme. Genau das ist der Zugang zu den 80ern, den uns diese beiden fabelhaften Musiker eröffnen. Feinsinnig, ironisch und gleichzeitig nehmen sie jeden Song so ernst, dass man weinen möchte. Pur und bar, wie auf die Knochen herunter gekocht. Die Bedeutung frei gelegt, wie die wahre Nacktheit.
 
Wie machen sie das? Sie erzählen Geschichten, sie sind »show men« und ein Duo, das jeden Abend neu eine Spielfreude hervorbringt, dass einem das Herz übergeht. Dann sind alle Versionen immer Interpretationen. Wir bekommen also der Blick der beiden auf die Hits der 80er Jahre. Ein Live-Genuss der handgemachten Musik, der das kongeniale Album in den Schatten stellt: Wir begegnen den Helden: »Billie Jean« (von Michael Jackson), dem »Smalltown boy« (von Bronski Beat), den »Wild Boys« (von Duran Duran) oder dem »Material Girl« (von Madonna) und Plewka & Schmedtje lassen uns neue Dimensionen entdecken in Liedern, die wir vielleicht tausendfach gehört haben. Unerhört!

Dann wird in der zweiten Hälfte noch ordentlich aus dem Hut gezaubert. Mehr soll nicht verraten sein. Beglückend eins ums andere Mal, die unfassbar schöne Version von »Der Traum ist aus«, »Junimond« und »The Boxer«. Kommen und Hören, kommen und Sehen. Nichts schöner als das, was vergeht.


Hamburg, Fabrik
Do 6.6.2024 um 20 h

Bremen, Kito – Altes Packhaus
Fr 7. Juni 2024 um 20 h (Tickets)
 
Itzehoe, Lauschbar
Sa 8. Juni 2024 um 20 h

Langeness, Kultur auf den Halligen
So 9. Juni 2024 um 20 h

Eberswalde, Kleinschmidt
So 12. Januar 2025 um 20 h (Restkarten)


 

Kopf und Linie / Neue Zeichnungen

© Alexander Stütz, Ohne Titel 88 x 65

Es ist nur Papier, eine zweidimensionale Fläche und doch schafft es Alexander Stütz eine Tiefe in seine Arbeiten zu zaubern, dass man vor seinen Ausstellungsstücken verharrt, still wird und versucht, das Rätsel zu lösen. Wie macht er das? In seiner aktuellen Ausstellung in der Berliner Galerie AU zeigt der Künstler Alexander Stütz, was er aus einer einfachen Linie herausholen kann. Eine spannende Auswahl an Zeichnungen und Kollagen interagiert in den Galerieräumen fast zu einem Gesamtkunstwerk: sinnlich und cool, figurativ und abstrakt.

Der Künstler sagt: »Ich arbeite immer aus dem Herzen in die Hand.«
Sehenswert vor allem die kleinen Formate. Dringend empfohlen.


Galerie AU Berlin
Hiddenseer Straße 1A
10437 Berlin

6. bis 22.4.2024
Mo bis Sa 13 bis 18 h

 

The Romeo

Der Choreograf Trajal Harrell ist der letzte, der sich vorstellt. Die anderen, lassen uns wissen, wie oft sie in Disney Land waren (65 mal), oder welcher Nationalität sie angehören (I am French. Nobody is perfect.) Offene Bühne, volles Saallicht.

Und dann beginnt das Spiel: »Wir weben, wir weben!« schrieb Heine. Die Zeile könnte eine Überschrift sein für diesen Tanzabend. Jeder einzelne Spieler spinnt seinen individuellen Faden, bringt seine Einzigartigkeit in diesen Kosmos aus Bewegung; so verbindet sich das ganze Ensemble zu einem organisch atmenden Körper. Jeder der 14 Tänzer des Schauspielhaus Zürich Dance Ensembles webt seinen eigenen Ausdruck in diesen großen Teppich, der sich über anderthalb Stunden, Faden um Faden, verdichtet. Auch der Klangteppich verwebt zu einer filmischen Grundierung aus unterschiedlichsten Genres, wie Pink Floyd, Vladimir Cosma oder Erik Satie enthebt uns der Zeit, Leben und Tod.

Kongenial sind die Kostüme bei jedem neuen Auftritt neu erdacht, Versatzstücke tauchen immer wieder auf, zu neuen Kombinationen verschnitten, kulturelles Erbe geöffnet, vorgetragen wie Haut Couture. Wir entdecken Preisschilder, Kleiderbügel-Fragmente, Hemden als Kleider, Röcke als Oberteile getragen. Repetition und Variation finden wir auch in den Bewegungsmustern: ägyptische Armhaltungen, griechische Kreistänze, höfische Gruppentänze. Die immer gleichen Abläufe hypnotisieren und entwickeln einen mythologischen Sog.

Über den Abend scheinen sich auch die Bewegungen mehr und mehr zu befreien. Wir erleben ein Fest aus Körperformen, Klangfarben und kulturellem Ausdruck. Das Freie braucht die Offenheit und Imperfektion. Großes Tanztheater, das sich von Vorstellung zu Vorstellung weiter verdichten wird und immer neue Transformationprozesse anstoßen wird. Dringend empfohlen, nicht nur für Tanzfans.

Schauspielhaus Zürich, Pfauen
Mo 03.04. 20:00 
Sa 08.04. 20:00 
Sa 15.04. 20:00
So 16.04. 16:00
Do 27.04. 20:00
Fr 28.04. 20:00
So 30.04. 17:00
Mo 01.05. 18:00
So 07.05. 16:00
Mo 22.05. 20:00 

Hexploitation

© She She Pop

»Was treibst du, wenn dich niemand sieht?«, fragt Sebastian, der einzige Mann im Performance-Kollektiv She She Pop. Der Abend »Hexploitation« ist eine Versuchsanodnung, um den Zusammenhang von Körper, Kapitalismus und Klimakterium aufzudecken. Es geht um Alter, Schönheit und Scham – im Mikrokosmos und Makrokosmos. Der Abend beginnt mit einer Nacherzählung des Film Gaslight von 1944. Der weiblichen Hauptfigur wird etwas eingeredet. Narrative reden uns etwas ein, bis wir sie selbst glauben. Wer die Narrative bestimmt, bestimmst also das Denken. »Hexploitation« hinterfragt die Narrative von Jungendwahn und Faltenfreiheit. Wir erfahren, dass die WHO die Menopause als »climacteric syndrome« definiert, also als Krankheit einstuft. »Ich bin bereit für die Nahaufnahme!«, ruft Johanna. Aber die vermeintliche Nabelschau mit Menstruationsblutberechnung fordert vor allem auf zu einem kritischen Hinterfragen der aktuellen Narrative, etwa der pandemischen. Wir alle, Zuschauer und Performer, sitzen in der She She Pop Inszenierung aus Hitzewallung, Horrorfilm und Hexenküche und dürfen uns fragen, mit welchen viel größeren Narrativen wir täglich bespielt werden. Was also bestimmt unser Denken? In diesem Sinne ein wahrhaft enthüllender Abend. 

Hebbel am Ufer Berlin, HAU2 
Di 22. September 2020 
Mi 23. September 2020 
Do 24. September 2020 jeweils um 20 h 

Kampnagel Hamburg, K2 
Fr 30. Oktober 2020 um 20:30 h 
Sa 31. Oktober 2020 um 20:30 h 
So 1. November 2020 um 18 h 

Weitere Termine finden Sie hier.

Judith/Herzog Blaubarts Burg

© Wilfried Hösl

Das Dunkle. Sie bringt es ans Licht: Judith, die Ermittlerin, und Katie Mitchell, die Regisseurin. Das dunkle Geheimnis des Herzog Blaubart, der Mann, durch dessen Unterbewusstsein das Psychodrama führt. Ein Mann, der durch stetiges Bitten Judiths Tür um Türe öffnet. Herausgekommen ist ein fabelhafter Doppelabend mit Musik von Béla Bartók. Bei dem geht es weit ruhiger zu auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper, als man das von Katie Mitchell kennt: Die Film-Ouvertüre entsteht nicht live, sie wurde vorproduziert. Auch der zweite Teil ohne Kameras; eine naturalistische Märchenerzählung, albtraumhaft mit melodramatischem Ende. Mitchell schafft jedoch etwas von ihrer typischen Erzählweise formell umzusetzen: Die Szenen ziehen praktisch am Publikum vorbei. Sieben Räume mit den sieben Türen bewegen sich von rechts nach links als würde man einen Filmstreifen gegen das Licht halten. Damit bringt die Regisseurin den Symbolismus der Blaubart Sage kongenial mit dem Impressionistischen von Béla Bartóks Musik zusammen: Meine Erinnerungen sehen mich. Der Abend ist ein Sieg der Frauen, auch wenn es zu Beginn noch nicht so aussieht. Am Pult leuchtet Oksana Lyniv, Nina Stemme als Judith, die Blaubart führt ohne dass er das merkt. Damit gelingt Judith die Opfer-Täter-Umkehr, die Mitchell inszeniert. Der Abend erzählt aber auch von Paardynamik, Liebe als Ware und der Unterschiedlichkeit von Männern und Frauen. Die Bayerische Staatsoper hat mit Nina Stemme (Judith) und John Lundgren (Blaubart) zwei Weltstars für Bartóks einzige Oper gewonnen. Die beiden singen oft zusammen und bringen, neben den stimmlichen Dimensionen, besonders eine darstellerische Tiefe in die Handlung, die sie zu einer eine Idealbesetzung macht. Die Münchner goutierten das mit langem Applaus. 

Bayerische Staatsoper München 
So 9. Februar 2020 um 18 h 
Do 13 Februar 2020 um 19 h 
So 16. Februar 2020 um 18 h 
Sa 27. Juni 2020 um 18 h 
Mo 29. Juni 2020 um 19 h

 

Kanon

© Dorothea Tuch

»Was ist Ihr Theatermoment?« fragt Sebastian Bark ins Publikum. »Schließen Sie die Augen und besuchen Sie den Augenblick, der Sie bewegt hat.« Nach diesen magischen Momenten suchen sie zwei Stunden lang: She She Pop und Gäste fächern in ihrer neuesten Produktion einen Kanon aus Theatererlebnissen auf, von Jérôme Bel bis Christoph Schlingensief.

Sieben Performerinnen und Performer stecken in Overalls mit lebensgroßen Kunstikonen. Sie »verkörpern« Valie Export, Marina Abramović, Yoko Ono, Joseph Beuys, Yves Klein. Auch das Kostümbild versteht sich als Kanon.

Es geht in »Kanon« aber nicht um die Alternativen zum bildungsbürgerlichen Sprechtheater, vielmehr entwickelt der Abend immer dann seine Kraft, wenn die Spieler teilen, was sie wirklich in Bewegung gebracht hat, wenn sie sich trauen die Berührungspunkte offen zu legen. Dann wird aus dem Zeigen ein Teilen, und im Besten Sinne des Postdramatischen entsteht in diesem Moment eine Gemeinschaft im Theaterraum: aus Akteuren und Publikum im Hier und Jetzt.

Fabelhaft gelingt das Brigitte Cuvelier, die »Mörder Woyzeck« von Johann Kresnik aus dem Jahr 1987 nacherzählt, während die Anderen auf der Bühne versuchen die Szene nachzustellen. Warum dieser Moment für sie lebensverändernd war, lässt sie uns miterleben und mitfühlen.

Eine Hymne an die flüchtige Kunstform des Performativen. The Show Must Go On.

Hebbel am Ufer, Berlin, HAU 2
Sa 23. November 2019 um 21 h
So 24. November 2019 um 21 h
Mo 25. November 2019 um 20 h
Di 26. November 2019 um 20 h
Do 12. März 2020 um 19 h
Fr 13. März 2020 um 19 h
Sa 14. März 2020 um 19 h

Mousonturm, Frankfurt am Main
Do 23. Januar 2020 jeweils 20 h
Fr 24. Januar 2020 jeweils 20 h
Sa 25. Januar 2020 jeweils 20 h

But Beautiful

Was passiert, wenn wir uns mit dem Rhythmus des Planeten verbinden? Und wie erreichen wir die höchste Verbundenheit allen Seins? Der Filmemacher Erwin Wagenhofer lässt uns eintauchen in die Welt der Musik, der Natur und der Liebe: Er lässt uns teilhaben an seiner Spurensuche eines gelingenden Lebens. Wir sehen Frauen ohne Schulbildung, die Solaranlagen für ihre Dörfer bauen, Ödland, das wieder zum Blühen kommt, Menschen, die ihrem Herzen folgen. Anders als in seinen Vorgänger-Filmen legt Erwin Wagenhofer nicht den Finger in die Wunde. Vielmehr steckt er uns an mit vibrierenden Positivbeispielen, die uns zeigen, dass wir etwas bewegen können, wenn wir uns die Freiheit nehmen. Dörfer, Inseln, Kontinente: dort treffen wir Erich und Barbara Graf, Bunker Roy, Kenny Werner, Erwin Thoma – und den Dalai Lama. Wir lernen, wie man energie-autarke Holzhäuser bauen kann, wenn man auf den Mond hört, wie Frieden entsteht, wenn wir zusammenarbeiten und warum Frauen die Weltveränderer sind. In über fünf Jahren sind 400 Stunden Material entstanden, die Wagenhofer mit seinem Team in 14 Monaten zu einem zweistündigen Opus destilliert. Der Film lockt uns ins Freie, erklärt wenig, lässt Raum. Mehr Meditation, weniger Dokumentarfilm. Große Ermutigung, großes Kino. Gehen und Sehen. 

But Beautiful auf der großen Leinwand: 
Hamburg, Abaton Kino 
Fr 15. November 2919 um 17:30 h mit Erwin Wagenhofer und Sabine Kriechbaum 

Leipzig, Passage Kinos 
So 17. November um 13 h mit Erwin Wagenhofer und Sabine Kriechbaum 

Zürich, Kosmos Kino 
Di 19. November um 18 h Vorpremiere mit Erwin Wagenhofer und Sabine Kriechbaum 

Weitere Termine mit den Machern Kinofinder Deutschland Kinofinder Österreich Kinofinder Schweiz 

Don Giovanni

© Brinkhoff/Mögenburg

Die Schichten von Wolfgang Amadeus Mozarts Komposition gehen direkt vom ersten Ton an unter die Haut – und das ist Adam Fischers musikalischer Leitung zu verdanken. Don Giovanni gehört zu Adam Fischers »Herzstücken«. Das sieht man seinem Dirigat an. Die drei Stunden Oper absolviert er hinreißend feinsinnig, ganz ohne Partitur. Der Dirigent wird Teil der Inszenierung, für die Zuschauer sichbar, indem Adam Fischer aus dem Orchestergraben herausragt. Die Hamburgische Staatsoper bringt die Wiener Fassungen von Mozarts Oper Don Giovanni zur Aufführung und komplettiert damit ihre Mozart/Da Ponte-Trilogie. Selten sieht man eine so durchgängige Ensembleleistung hochkarätiger Stimmen, die sich mit Spielfreude in die drehenden Bühnenbauten hineinwerfen. Kyle Ketelsen liefert mit seinem Leporello ein absolut sängerisches und spielerisches Glanzlicht. Mit seiner Figurenführung schafft es Jan Bosse Mozarts musikalische Schichten differenziert aufscheinen zu lassen. Andrè Schuens Don Giovanni offenbart eine tiefe Sehnsucht nach Liebe. Allein seine funkenschlagende Begierde hält ihn davon ab zur wahren Liebe vorzudringen. Trotz teurer Feste und Champagner Arie bleibt Don Giovanni einsam bis zum Ende der Oper, seiner Höllenfahrt. Große Oper. Sehenswert. 

Staatsoper Hamburg 
Mi 23. Oktober 2019 um 19 h 
Sa 26. Oktober 2019 um 19 h 
Di 29. Oktober 2019 um 19 h 
So 3. November 2019 um 19 h 
Mi 6. November 2019 um 19 h 
Sa 9. November 2019 um 19 h
 

Isadora Duncan

@ Camille Blake

Jérôme Bel setzt seine persönliche Enzyklopädie des Tanzes fort. Diesmal mit einer Toten: Isadora Duncan (1877–1927). Die Autobiografie der Tanzikone, die den Tanz revolutioniert, hatte Jérôme Bel so inspiriert, dass er ein Stück über die unabhängige Frau machen wollte. Er fand die Tänzerin Elizabeth Schwartz, die von einer der Adoptivtöchter, der Isadorables, die überlieferten Solotänze weitergegeben bekam. Der Abend besticht mit seiner klaren Struktur. Die Zuschauer sehen jede Choreografie viermal: beginnend mit der Musik allein (von Schubert, Chopin und Skrjabin), dann Klavier und Tanz, dann die Bewegung mit Erläuterungen und ohne Musik und noch mal der Tanz mit Musik. Diese analytische Sezierung der Arbeit von Isadora Duncan lässt eine unerwartete Spannung entstehen und lässt einen aufmerksam werden für die filigranen Details, die eng mit der Biografie von Isadora Duncan verwoben sind. Ein gelungenes Stück Konzeptkunst für die Bühne, eine Lecture Performance zum Mitmachen. 

Tanz im August, Deutsches Theater Berlin 
So 18.8.2019 um 19 h 

Paris, Centre Pompidou, Festival Automne 
3.–5. October 3 to October 5 November 28 to November 30 

Aubervilliers (France), La Commune centre dramatique national d'Aubervilliers 
28.–30. November 2019

Faust

© Thomas Aurin

Ein Rausch, ein Fest, ein Faust. Faust nach Castorf. Sieben Stunden. Text-Konglomerat aus Goethe, Zola, Fanon, Sartre, Celan. Und schnell und unbegreiflich schnelle wechseln magische Momente mit tiefem schauervollen Verwandlungswust. »Kunst braucht Wahnsinn«, sagst Castorf und bietet alles auf, was er und seine Spieler und Künstler in den letzten 25 Jahre trainiert haben. Martin Wuttkes Faust lässt einen staunen – mit wie viel Selbstverständlichkeit er das alles sein kann: alt, jung, epileptisch, sehnend, fühlend, abgründig. Marc Hosemanns Mephisto, der unruhige Pudel, treibt Faust zum globalen Unternehmertum, Egotrip XXL. Alexander Scheer lässt es krachen als Chris Dercon, als Lord Byron, als Anaxagoras. Dem männlich verdrängenden Prinzip entgegen reitet Valery Tscheplanowa leuchtende Margarete, die ewig Weibliche. Da erscheint, wie das As aus dem Ärmel, Sophie Rois. Als Hexe singt und zaubert sie ganz in ihrem Element. Vom Feinsten. Auch die Bühnenmaschine aus Kamera- und Technikteam liefert Hollywood in Echtzeit. Zur Hölle! L’enfer! Algerienkrieg, Kolonialisierung, Holocaust, Pariser Metro Station Stalingrad. Man versteht nicht alle der uferlosen Assoziationen, Seitenhiebe, Anspielungen, Lachnummern, Durchhänger, Nebenfiguren. So sagt Monsieur Bordenave: »Was bedeutet es? Und wenn es nichts bedeutet, warum ist es dann so lang?« Zustimmendes Raunen im Zuschauerraum. Wer hat gewonnen? Nach sieben Stunden ist das egal. Brillant gespielt, volles Rohr, alles gegeben. Großes Welttheater. 

Berliner Festspiele 
Mo 7. Mai 2018 um 18 h 
Di 8. Mai 2018 um 18 h 

 

Michael Kohlhaas

© Armin Smailovic

Es beginnt mit einem Zaubertrick: Kohlhaas wird geköpft. Vorhang. Ein Satz von Kleist mit Märchenerzählerstimme aus dem Off. Dann eine lange Slapsticksequenz: drei Spieler in einer Bretterbude (Thomas Niehaus, Jörg Pohl, Paul Schröder). Man hält sie für reaktive Beamte, die aussehen wie Untote und eintreffende Weisungen ausführen, bis sich nach 42 wortlosen Minuten herausstellt, dass sie Unternehmer sind (die Gebrüder K. nämlich) und die Flut der Weisungen sie plötzlich übermannt. Antú Romero Nunes setzt bei seiner Inszenierung alles aufs Spiel. Er scheitert und gewinnt zugleich und es ist ihm Ernst mit beidem. Wie Michael Kohlhaas. Kohlhass will sich Recht verschaffen. 

Kleist beschreibt den Konflikt zwischen Naturrecht und positivem Recht, das durch Gesetzgebung entsteht. Der Abend ist eine vehemente Aufforderung sich genau damit auseinander zu setzen. Wenn Konzerne praktisch keine Steuern zahlen, ist die öffentliche Erregung groß. Nach geltendem Recht tun sie nichts Ungesetzliches. Es muss das positive Recht also dem ethisches Empfinden (Naturrecht) angepasst werden. Das fordert Kohlhass für sich ein. In einem Feuerwerk aus Ideen und Anspielungen prasseln, lodern, brennen die Kohlhaas’schen Fragen nach Ordnung und Unordnung, Macht und Ohnmacht, Recht und Gerechtigkeit, Verunsicherung und Sicherheit, Verfolgen und Verfolgt, Kampf und Verletzlichkeit, Scheitern, Gelingen und danach ein Ende zu finden. Nunes glückt das Kunststück einer komödiantischen Tragödie, einer tragischen Komödie. Ein kluger Abend mit reichlich Stoff sich zu erregen. 

Thalia Theater Hamburg 
Sa 27. Januar 2018 um 19:30 h 
Di 6. Februar 2018 um 20 h 
Sa 10. Februar 2018 um 20 h 
So 11. Februar 2018 um 15 h 
So 18. Februar 2018 um 19 h 
Fr 23. Februar 2018 um 20 h 
Sa 10. März 2018 um 20 h 
Mi 14. März 2018 um 20 h 
Do 15. März 2018 um 20 h 
Mo 23. April 2018 um 20 h 
Di 15. Mai 2018 um 20 h 
Fr 25. Mai 2018 um 20 h 
Do 07. Juni 2018 um 20 h 
So 17. Juni 2018 um 17 h 
Sa 23. Juni 2018 um 14 h 



 

Nederlands Dans Theater

© Rahi Rezvani

»Das Beste. Oder Nichts«, sagte einst Gottlieb Daimler. Dieser Abend ist das Beste. Vier Stücke von drei Choreografinnen und zwei Choreografen spannen den Bogen des zeitgenössischen Tanzes von Marco Goeckes bizarren Gewaltbewegungen »Woke up Blind« bis hin zum seelenvollen Fließen und Kreisen von Sol León & Paul Lightfoots »Safe as Houses«, das das I Ging, das Buch der Wandlungen, mit Bachs »Komm süßer Tod« zu Ende malt. Dazwischen entkommen wir bei »The missing door« kaum dem Sog des futuristischen Irrgartens von Gabriela Carrizo aus Räumen, Zeitschleifen und unterdrückten Figuren. Mit Crystal Pites »The Statement« erklimmt das Ensemble des Nederlands Dans Theater den Gipfel. In rasendem Tempo und mit einzigartiger Präzision performen vier Tänzer einen Dialog aus Worthülsen. Jonathon Young hat die Texte geschrieben, die als Soundtrack aus dem Off die Bewegungen unterlegen. Jeden Tag hört man Politiker solche Sätze sagen, die eigentlich nichts sagen. Die Diskrepanz zwischen gesprochenem Wort und Subtext wird deutlich. Die Archaik der Bewegung macht die Absurdität des intellektuellem Geschwafels erst sichtbar und spürbar. Crystal Pites lässt die Tänzer mit dem Konferenztisch, miteinander und mit den gegnerischen Parteien interagieren. Ihre prägenden Jahre mit William Forsythe und seiner Company werden hier deutlich. Die überragende darstellerische Ausdruckskraft der NDT-Tänzerinnen und Tänzer zusammen mit den innovativsten Choreografinnen und Choreografen unserer Zeit machen diesen Abend zu einem wahren Gesamtkunstwerk. 

Haus der Berliner Festspiele, Berlin 
Mi 29. November 2017 
Do 30. November 2017 
Fr 1. Dezember 2017 
Sa 2. Dezember 2017 jeweils 20 h 

Festspielhaus Baden Baden 
Sa 16. Juni 2018 um 18 h 
So 17. Juni 2018 um 17 h 

Sadler’s Wells, London 
Di 26. Juni 2018 
Mi 27. Juni 2018 
Do 28. Juni 2018 
Fr 29. Juni 2018 jeweils 19:30 h 


 

Das achte Leben (Für Brilka)

© Armin Smailovic
Ein Sog, ein Brennen, ein Jahrhundertroman. Über 100 Jahre und 1200 Seiten umspannt der Roman von Nino Haratischwili, erzählt den Aufstieg und Fall des Kommunismus aus der Sicht von fünf Generationen der georgischen Familie Jaschi: Warum etwa aus dem freundlichen Kind Kostja ein gar nicht mehr freundlicher Großvater wird. Jette Steckel schafft mit ihrer Bühnenfassung eine magische Adaption, aus dramatischen Episoden und heiteren Momenten, die den Zuschauer fast fünf Stunden in ihren Bann zieht. Die neun Spieler verweben die Verstrickungen ihrer Figuren mit dem System, mit den Herrschenden, mit den anderen, zu einen großen roten Teppich, der im Laufe des Abends Stück für Stück abgerollt wird. Sie tanzen, singen und spielen vor historischen Filmprojektionen und geben eine Ahnung davon, wie es hinter dem eisernen Vorhang gewesen sein könnte. Geschichte ist immer erstmal subjektiv – bevor Historiker bemüht sind eine Art Objektivität herzustellen. Jette Steckel bringt uns die Subjektivität der Figuren ganz nah und schreibt damit Geschichte. Großes Kino, großes Theater. Stehende Ovationen. Thalia Theater Hamburg Di 11. April 2017 um 19 h Sa 22. April 2017 um 19 h So 23. April 2017 um 14 h Sa 6. Mai 2017 um 19 h So 7. Mai 2017 um 19 h Mo 15. Mai 2017 um 19 h Di 16. Mai 2017 um 19 h Mi 28. Juni 2017 um 19 h Do 29. Juni 2017 um 19 h Fr 7. Juli 2017 um 19 h

Lohengrin

© Marcus Lieberenz
Klaus Florian Vogt ist Lohengrin. Und seiner nicht einordenbaren gleichsam überirdischen Stimme kann man stundenlang zuhören. Er kommt als Gottgesandter, gestehst Elsa nach zwei Minuten seine Liebe, und stellt dazu gleich eine klare Bedingung: »Nie sollst du mich befragen …« – und damit eines der berühmtesten Leitmotive der Oper vor. Der mythische Retter mit Engelsflügeln findet in John Lundgren, als Friedrich von Telramund, einen starken Gegenspieler, dem stimmlich wie darstellerisch ein vielschichtiger und packender Zugriff gelingt. Es lohnt also die Besetzungsliste zu studieren. Kasper Holten will die politische Dimension des Stückes erzählen: Der Gerichtskampf ist auch ein Kampf um die Fürstenwürde von Brabant. Dafür hat er einige klare Bilder gefunden. Eine sehenswerte Inszenierung, die immer wieder mit Starbesetzungen aufwartet. Deutsche Oper Berlin So 5. Februar 2017 um 16 h

Wir sind viele

© Jim Rakete
Eigentlich sind wir darauf trainiert weg zu schauen, wenn jemand anders aussieht oder sich anders bewegt. Die aktuelle Ausstellung »Wir sind viele« lässt uns hinschauen. Jim Rakete hat 50 Menschen mit Behinderungen fotografiert: mit Epilepsie, mit psychischen Leiden, mit Gewalt- und Suchterfahrungen, mit unheilbaren Krankheiten. Menschen, die obdachlos oder schutzbedürftig sind. Er bereiste dafür unterschiedlichste Einrichtungen Bethels: von Berlin bis Bielefeld, von Hannover bis Dortmund, Freistatt, Lobetal und Blütenberg. Und im Katalog kann man die Geschichten hinter den Gesichtern nachlesen. Das macht den Ausstellungsbesuch noch lebendiger. Eine große Ausstellung mit großen Portraits. Und Lebensfreude pur. Dringend empfohlen. Deutscher Bundestag, Berlin Bis Freitag 10. Februar 2017 geöffnet Montag bis Freitag 9 bis 17 Uhr Paul-Löbe-Haus, Eingang West Konrad-Adenauer-Straße 1, 11011 Berlin Besichtigung nur mit Anmeldung möglich. Anmelden kann man sich hier (es geht nicht ohne) Personalausweis beim Besuch bitte mitbringen.

Five Easy Pieces

© Phile Deprez
Der Art Center CAMPO in Ghent bittet Milo Rau ein Kinderstück mit belgischen Kindern zu machen. Nichts ist für ihn naheliegender als ein Stück über Marc Dutroux zu entwickeln. Belgien – KInder – Dutroux. Es heißt »Five Easy Pieces«, wie eine Fingerübung von Igor Strawinsky. Easy ist in diesem Reenactment aber gar nichts. Der Stoff hat es in sich. Der Zuschauer wird konfrontiert mit dem Zuschauen im Theater, mit Voyeurismus und mit Unerhörtem, was man nicht hören will – von Kindern noch viel weniger. Die sieben Kinder zwischen 8 und 13 Jahren spielen und singen alles, ausser Marc Dutroux. Der bleibt eine Leerstelle, den will keiner spielen. Es gibt immer wieder Momente im Stück, an denen fragt man sich, ob es an Kindesmissbrauch grenzt, Kinder mit diesen Texten auf die Bühne zu stellen. Am Ende bekommt man das Gefühl, die Kinder nehmen das spielen als Spiel und nur die Erwachsenen haben ein Thema mit diesen existentiellen Themen. Großer erleichternder Applaus am Ende und viele intensive Bilder mit denen man nach Hause geht. Sophiensäle Berlin Sa 2. Juli 2016 um 19:30 h So 3. Juli 2016 um 19:30 h TOpublic Festival Oslo, Norwegen 7. und 8. Juli 2016 19 h Singapore International Festival of Arts, Victoria Theatre Singapur 18. bis 20. August 2016 um 20 h Münchner Kammerspiele, München 1. bis 3. Oktober 2016 Frascati Theater Amsterdam Fr 10 Februar 2017 um 20:30 h Sa 11 Februar 2017 um 20:30 h Sick Festival, Manchester Do 23 – Sa 25 März 2017

Raus

© Etienne Girardet, pacificografik.de
Ein Bauzaun versperrt den Blick auf die Bühne. Nach und nach bekommt der Zuschauer Einblick in das, was dahinter vor sich geht. Vierzig junge Berliner zwischen 13 und 19 Jahren singen, tanzen und spielen zum Thema »Raus«. Da geht es um Flüchtende, Freiheit, Grenzen, aber auch um Pubertät als Grenzerfahrung, erste Liebe, Mut und was es bedeutet anders zu sein. Mit viel Gespür für zarte Nuancen und große Gesten inszeniert Rachel Hameleers, die künstlerischen Leiterin der Kreuzberger »Academy«, diesen hinreißenden Abend. Sie brennen, diese Kids, und sie reißen mit, mit Ihrer Begeisterung und ihrem Talent. Eine Produktion, die man auf keinen Fall verpassen darf. Alte Feuerwache, Berlin Mi 22. Juni 2016, 19:30 h Do 23. Juni 2016, 19:30 h Fr 24. Juni 2016, 19:30 h Sa 25. Juni 2016, 16 h Restkarten an der Abendkasse Academy Casting Workshop Sa 17. September 2016, 12–16 Uhr oder So 18. September 2016, 12–16 Uhr

Real Magic

© Forced Entertainment
Dieser Abend ist »Forced Entertainment«. Das Performance Kollektiv aus Sheffield macht seinem Namen alle Ehre. »Real Magic« bringt die großen Themen des Lebens auf den Punkt: Veränderung, Wandel, Umbruch. Und die Einschränkungen, die wir uns selbst auferlegen. Eine Metapher für Wegschauen, Grenzenschließen, Brexit. Die Versuchsanordnung von »Real Magic« bewegt sich zwischen Spielshow und Zaubervorführung. Gedanken sollen gelesen werden. Eine winzige Szene aus dem Cabaret, die wir am Ende 36 Mal gesehen haben. Die drei Spieler Claire Marshall, Jerry Killick und Richard Lowdon zelebrieren in der Tradition Becketts die Absurdität des Scheiterns. Eine Niederlage nach der anderen wird vorgeführt. Ein Kandidat wird vorgeführt. Rollenwechsel. Optimismus und Hoffnung bleiben bis zum Schluss. Und so ausweglos und unentrinnbar das Script, so sehr hofft man auf Erlösung. Eine pralle, rasend komische Show, bei der alle Beschreibungen scheitern müssen: Man muss »Real Magic« einfach sehen. Brillant. Hebbel am Ufer, HAU2, Berlin Fr 3. Juni 2016 um 20:30 h Sa 4. Juni 2016 um 20:00 h Show in English

John Gabriel Borkman

© Reinhard Maximilian Werner
Es schneit zwei Stunden lang. Ohne Pause. Simon Stone übermalt Ibsen mit neuer heutiger Sprache. Da fallen Nuancen unter den Tisch, dafür wirkt die Neufassung direkter, schneller und greller. Storytelling ist dem Regisseur wichtiger als die 120 Jahre alte Original-Sprache. Plötzlich ist Borkmann ein Frauenstück. Martin Wuttke als Borkmann, Birgit Minichmayr als seine Frau und Caroline Peters als ihre Zwillingsschwester zaubern daraus exzellentes Schauspielertheater mit mehr Slap-Stick-Elementen und weniger Tragik. Man sieht ihnen gerne dabei zu, wie sie aus dem Vollen schöpfen. Fast geht man heiter aus diesem Abend. Burgtheater Wien, Akademietheater Termine für die neue Spielzeit folgen Theater Basel Termine für die neue Spielzeit folgen In einer Aufzeichnung zu sehen auf 3sat

18.05.2016

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Manifesto

© VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Cate Blanchett ist eine Wucht. Allein für sie lohnt sich die Filminstallation »Manifesto«. Julian Rosefeldt inszeniert 12 filmische Episoden zu 12 großen Strömungen der Kunst des 20. Jahrhunderts: vom Futurismus über DADA, Minimal Art bis hin zu Dogma. Er montiert unzählige Originalzitate aus Manifestos von rund 70 männlichen Autoren, wie Rodtschenko, Kandinsky, Schwitters, John Cage oder Werner Herzog, die die textliche Grundlage der Filme bildet. In hollywood-reifer Perfektion und klar definierter Ästhetik erlebt man Cate Blanchett als weibliche Protagonistin in diesen 12 Szenen ihre Sogkraft entwickeln. Sie leiht ihre Stimme und ihren Körper und das erzeugt zwischen Bild- und Textebene ein flirrendes Spannungsfeld aus kritischer Distanz und ironischer Überhöhung – in Figuren wie einer Grundschullehrerin, einer Puppenspielerin, einer Brokerin, einer Trauerrednerin und einer Obdachlosen. Absolut sehenswert. Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin Bis 10. Juli 2016 Ruhrtriennale, Kraftzentrale Duisburg 13. August bis 24. September 2016 Di–So: 13.00–20.00 Uhr Die Fernsehpremiere wird im Bayerischen Fernsehen sein.
Villa Stuck, München 16. Februar – 21. Mai 2017 Di–So 11–18 h, erster Freitag im Monat bis 22 h

Erwin Wurm: Bei Mutti

© Erwin Wurm, VG BILD-KUNST Bonn, 2016
Was ist Humor, fragt sich dieser Tage nicht nur Jan Böhmermann. »Humor ist eine Waffe«, hat Erwin Wurm einmal gesagt. Und er weiß sie kunstvoll zu führen. Die Berlinische Galerie zeigt rund 80 Arbeiten des österreichischen Künstlers: vom »Narrow House« über die »One Minute Sculptures«, Zeichnungen, bis hin zu neuen Skulpturen, die in jüngster Zeit entstanden. Für Erwin Wurm ist Körperlichkeit zentral – die sich zwischen Skulptur, Objekt und Performance bewegt. Sie läd ein, zu interagieren, Spaß zu haben, zu Lachen, obgleich es um große Themen geht, wie Liebe, Alter oder Tod. Mit klugem Humor deckt er Doppelmoral und Lächerlichkeit auf. Und stellt die Welt auf den Kopf : »Von Konfektionsgröße 50 zu 54 in acht Tagen«. Er versteht Zu- und Abnehmen als Bildhauerei. Berlinische Galerie bis 22.08.2016 Mittwoch–Montag 10 –18 h Dienstag geschlossen

Lohengrin

© Mats Bäcker
Eine Feder fällt vom Himmel: Elsa entgegen. Nicola Raab inszeniert den sagenhaften Stoff des Lohengrin atmosphärisch dicht und beweist einmal mehr, dass sie zu den Geschichtenerzählern unter den Regisseure gehört. Im kongenialen Zusammenspiel von Story-Telling, Bühnenbild, Kostüm- und Licht Design entsteht ein klarer und vielschichtiger Opernabend, ein Abend der großen Bilder – und leisen Töne. Gemeinsam mit Lohengrin, hofft man, könnte man die Begrenztheit des Menschseins überwinden: mit der großen Liebe. Die fein ausgearbeiteten Charaktere der Figuren legen die transzendenten Aspekte der Geschichte frei: überragend singend und spielend Steven Humes als Heinrich. Unter der musikalischen Leitung von Alexander Vedernikov erlebt man höchsten Hörgenuss. Ein großer Wurf. Oper Kopenhagen Do 28. Januar 2016 So 31. Januar 2016 So 7. Februar 2016 Fr 12. Februar 2016 Di 1. März 2016 So 6. März 2016 Mi 9. März 2016 So 13. März 2016

Peter Pan

© Annette Boutellier
Staunen, Kreischen, Tanzen. Das Publikum sitzt nicht still. Egal ob Groß oder Klein. Der Junge, der nicht erwachsen werden will, entzückt nicht nur die Kinder. In der kongenialen Zusammenarbeit von Regisseur Michael Lippold und den Musikern von »The bianca Story« gelingt eine abenteuerlustige Inszenierung. Die Schauspieler machen einen phantastischen Job und es ist eine Freude ihnen zuzusehen. So entsteht schon nach wenigen Szenen eine Sogkraft, die in der Flugszene ihren Höhepunkt findet. Hier wird das Weihnachtsmärchen zum sphärenhaften Rockkonzert und man möchte, dass sie ewig weiter fliegen. »The bianca Story« liefert eine Menge Input mit den hitverdächtigen Songs, eigens entwickelt und komponiert für dieses Stück. Anders als in der Vorlage von J.M. Barrie, lässt Lippold das Ende offen, und doch singt die Band: Hope there is Hope … Also schnell auf nach Bern. Konzert Theater Bern, Stadttheater Bern Mon 28. Dezember 2015, 15 und 19:30 h Sa 2. Januar 2016 um 15 h So 3. Januar 2016, 15 h So 10. Januar 2016, 8 h Mi 17. Februar 2016, 19:30 h
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